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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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fühlte sich schuldig und dachte über ein Lockangebot nach, das ihn das Gesicht nicht verlieren ließ. Es musste eine Küche eingebaut werden, hier gab es Verhandlungsspielraum. Wenn sie sich verpflichtete, ihre Küche nach Auszug in der Wohnung zu lassen, könnte man bei der Miete entgegenkommen. Nur zum Beispiel. Der Eindruck, dass die Wohnung überbezahlt sei, musste allerdings vermieden werden. Sie war nicht überbezahlt, ich bitte, die Lage! Die historische Bausubstanz, der Blick ins Grüne. Die Bemessungsgrundlagen waren hier eben elastischer als anderswo.
    Seine Küchenüberlegungen erwähnte er Hannelore und Irene gegenüber nicht. Abwarten, beruhigte er, die kommt schon. Er war sich keineswegs sicher. Aber als das Fräulein bereits am nächsten Tag anrief und die Wohnung nahm, nachdem er theatralisch stöhnend hundert Euro nachgegeben hatte, galt er im Freundeskreis einmal mehr als Phänomen. Als besonders geschäftstüchtig, wenn nicht gar als Menschenkenner.
    Danach geschah erst einmal nicht viel, was ja ein gutes Zeichen ist. Zum Unterschreiben des Mietvertrags kam sie herauf, gab sich beeindruckt von der zur kleinen Terrasse ausgebauten Dachgaube, die seine höchstpersönliche Idee gewesen ist, und wurde erst lebhaft, als Hannelore nach ihrer Arbeit fragte. Er verstand es nicht genau, weder hat er sich je besonders für Kabarett interessiert noch begriffen, wozu man heute so viel Peh-Err braucht und was das genau ist. Was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben sollten, ging ihm eigentlich nicht ein. Das aber schien das Spezialgebiet des Fräuleins zu sein, wenn nicht gar ihre Erfindung, so viel immerhin hat er verstanden.
    Hannelore tat äußerst interessiert. Ob man das im weitesten Sinn politische Arbeit nennen könne, fragte sie allen Ernstes. Das musste sie von jemand anderem haben. Ein Wort wie ›politisch‹ beim ersten längeren Gespräch war alles andere als guter Stil, aber wenn Hannelore es dennoch gebrauchte, versuchte sie wohl, den Ton der jungen Dame zu treffen.
    Auch im engeren Sinne, antwortete die neue Mieterin und wurde wieder schweigsam. Plötzlich stand sie auf und ging zu dem Kreuz über Hannelores Sekretär. Ludwig war hocherfreut.
    Interessieren Sie sich für Kunst, fragte er, eilte zu ihr und pries, ohne eine Antwort abzuwarten, die seltenen Schönheiten seines Grödner Jesulein aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert.
    Danach ging sie bald, und Hannelore wiegte den Kopf, was nur so zu verstehen war, dass er es mit diesem dezidiert christlichen Thema etwas übertrieben hatte.
    Da kam ihm die Nase des Mädchens auf einmal … nein, nein, das konnte auch slawisch sein, oder besser: mediterran! Was ist Molin überhaupt für ein Name? Hannelore hätte bestimmt nicht … Das Religionsbekenntnis seiner Mieter ist definitiv nicht von Belang, trotzdem findet er, dass, im Sinne des angestrebten harmonischen Miteinanders, keine allzu großen Abweichungen vom Durchschnitt, von dem, was hier in Wien, jedenfalls im Bezirk, als normal … Das ist alles so furchtbar kompliziert zu erklären!
    Ein Beispiel: Seine eigene Tochter Suzanne hat einmal Bekannte gebracht, ranghohe Diplomaten, Uno-City, aber … reizende Menschen, natürlich, wunderschöne Kinder, aber, aber … Pakistaner im Haus?! Zum Glück hat Irene beinahe zeitgleich den Zahnarzt aufgetrieben, und der, das hat Suzanne eingesehen, würde sich länger verpflichten als jegliche Diplomaten. Jetzt ist er bald zehn Jahre da, ein angenehmer, gepflegter Mensch, Ordination Montag bis Donnerstag, ab Donnerstagnachmittag hat man die Villa wieder ein bisschen mehr für sich, das ganze Wochenende lang.
    Als sie einzog, brachte sie ein Klavier mit, ein neumodisches Pianino eines drittklassigen Herstellers, aber immerhin. Er mähte gerade den Rasen, als es ausgeladen wurde. Er stellte den Rasenmäher ab und fragte sie, ob sie spiele, was sie anscheinend in den falschen Hals bekam. Sie beteuerte mit einem unerklärlichen, irgendwie angespannten Gesichtsausdruck, dass sie nicht spiele, jedenfalls fast nie, und dass sie selbstverständlich vorher erwähnt hätte, wenn sie Lärm in Form von Klavierüben machen würde. Er war befremdet. Wir empfinden Musik nicht als Lärm, entgegnete er, wir spielen selbst. Unsere Kinder machen Hausmusik, manchmal fehlt ein Pianist, nur deshalb habe ich mir erlaubt …
    Aber da lachte sie, völlig überraschend, warf mit aufgerissenem Mund den Kopf in den Nacken, dass er ihr in den Hals hätte schauen können wie

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