Quasikristalle: Roman (German Edition)
und fauchten, antwortete: Das Licht ist perfekt.
Danach schritt sie den Raum ab, reihum, in sicherem Abstand zu den Käfigen, in denen die Bewohner tobten. Ludwig entschuldigte sich, dass sie nicht gefüttert seien und außerdem nur selten jemand anderen als ihn zu sehen bekämen, weshalb sie wahrscheinlich besonders unruhig seien, meine Frau, müssen Sie wissen, graust sich . Das ist Hochverrat, schalt er sich, dass er seine Hannelore hier so preisgab wie sie ihn jederzeit vor den Kindern, aber Frau Molin schien andererseits nicht in Gefahr, sich stürmisch mit ihm und seinem Hobby zu solidarisieren. Er bot an, die Tiere gleich zu füttern, damit etwas mehr Ruhe herrsche, Sie müssen sich bestimmt konzentrieren . Und Frau Molin nickte und wickelte das Jesulein aus.
Als er zurückkam, mit dem Fleisch auf einem Schneidbrett, lag sie auf den Knien vor dem Jesulein, das sie an eine Wand gelehnt hatte. Er hatte den Boden sauber gehalten, all die Jahre, vielleicht nur für diesen Moment, wo eine junge Dame auf den Knien lag und fotografierte. Von oben, durch die Luke, traf ein Lichtstrahl genau des Jesulein Gesicht, Ludwig war stolz, dass er es sah und verstand.
Ob er sie um einen Abzug bitten könnte?
Er machte sich an die Fütterung, langsam, Käfig für Käfig, und das Scharren und Fauchen nahm ab. Auf einmal stand sie dicht neben ihm, gerade, als er dem potentesten Rüden den letzten Brocken geben wollte, darf ich, fragte sie und gluckste, und bevor er Antwort geben konnte, hörte er das Klicken des Auslösers, und beinahe wäre Adolf ihm an den Finger gekommen, in seiner wütenden Gier, so etwas war Ludwig noch nie passiert.
Und dann war da noch diese Verlobungsfeier, oder vielmehr gescheiterte Hochzeit, wie seine Kinder behaupteten. Es ging ihn nichts an. Er selbst hält sich heraus; er findet es unmöglich, über fremde Leute zu tratschen. Seine Gedanken kann man sich machen, jeder für sich, aber die Gedanken, die er sich macht, die bleiben, bitte schön, mit einem Bonmot seines Vaters, ganz unter mir . Dass es eine Feierlichkeit geben würde, erfuhr Hannelore beim Fleischhauer; die Molins, also wahrscheinlich die Eltern, hatten ein kleines Buffet bestellt. Selbst das ist wahrscheinlich zu viel gesagt, es waren drei Platten Horsd’œuvres und ein paar Flaschen Sekt, er hat später ja selbst gesehen, was an Geschirr wieder abgeholt wurde. Es waren höchstens ein Dutzend Gäste, soweit man das abschätzen konnte, und das alles mittags um zwei. Diesmal trug Bonami keine Lederjacke, sondern etwas Sakkoartiges, und die Mieterin trug ein einfaches helles Sommerkleid. Das alles nur vom Garten aus beobachtet, also ihn bitte nicht darauf festzunageln.
Sie sah verweint aus, später, gegen sechs Uhr nachmittags, als sie mit einer Dame, die vermutlich ihre Mutter war, die Steigen mit den Leih-Gläsern und Tellern und Platten vor die Tür brachte, wo der Laufbursche des Fleischhauers sie bald abholte. Ludwig ging grüßend vorbei; die Mutter, wenn es denn die Mutter war, schien sich unbehaglich zu fühlen.
Ja, er gibt zu, dass er an diesem Abend die Spiegelscherbe noch einmal herausgeholt hat, aus schierer Sorge. Seit sie ihn dabei fotografiert hatte, wie er sein stärkstes Frettchen fütterte, fühlte er sich ihr warm verbunden. Das Foto hatte sie ihm geschenkt, ein paar Tage später. Sie hatte es so eingerichtet, dass sie ihn allein antraf; sie schien davon auszugehen, dass Hannelore von ihrem Fototermin nichts wusste.
Das Bild gefiel ihm; es war sehr hell und ein bisschen unscharf, sein Profil war bis zum Ohr zu sehen, seine Finger in Nasenhöhe, und rechts das graugescheckte Tier mit gebleckten Zähnen. Die Farben waren irgendwie unnatürlich, sein eigenes Auge so fischig blau, das Fleischstück dagegen rot, als würde es noch bluten. Er legte es zu seinen privaten Papieren, zwischen die Sparbücher, die Lebensversicherungen und das Testament. Hannelores Gesicht würde er ja zu gerne sehen, wenn sie es dort fände, aber da wird er vermutlich tot sein.
Und nun stand er wieder hier oben und zog mit schlechtem Gewissen die Spiegelscherbe heraus. Er entdeckte sein Molinchen gleich, allein auf dem Nordbalkon, zurückgelehnt, die bloßen Füße auf dem Tisch. Das Kleid war über die Knie hochgerutscht, neben ihr eine Weinflasche, aber kein Glas, und außerdem rauchte sie; sie besaß plötzlich auch so einen roten Aschenbecher von der Bank, genau wie die Ordinationshilfen des Zahnarztes.
Er hatte sie noch nie rauchen
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