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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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Schwangerschaft diese Hormone, die dort produziert werden, doch noch mehr gebraucht werden als sonst, oder hat sie da etwas falsch verstanden? Ich vernichte den gesamten Dünger, und gerade dann wächst der Baum? Was für ein Baum kann das noch werden?
    Heikes Handy vibriert, sie zieht es heraus und drückt den Anruf weg. Frau Jänicke. Zu wenige Fußballtrikots für die Mädchen? Oder etwas anderes? Vor zwei Jahren ist Lennart auf dem Schulweg von einem arabischen Jugendlichen angegriffen und ausgeraubt worden, er musste, unverletzt, aber furchtbar erschrocken, von der Polizeidienststelle abgeholt werden. Sie betrat gerade den OP zur Punktion, die Patientin war bereits narkotisiert, was nicht hätte passieren dürfen, ein übereifriger Anästhesist, sie drückte den Anruf weg. Manfred war in der Vorstandssitzung, der Junge hat eine halbe Stunde lang niemanden erreichen können. War das schlimm? Es war das Schlimmste, was bisher passiert ist, und Lennart selbst hat es bestimmt längst vergessen. Nicht den Überfall, aber die Unerreichbarkeit seiner Eltern.
    Als Frau Molin, versorgt mit einem Rezept für reichlich Gelbkörperhormone und Begriffen wie Flare-up-Effekt, die sie zu Hause im Internet noch genauer studieren kann, geht, tritt Heike wieder ans Fenster. Sie hat einen schönen Blick, im Vordergrund ein Stück Parkplatz, dahinter die Bäume, die alte Parkanlage. Grün beruhigt, und flimmernde Blätter haben etwas angenehm Hypnotisches. Frau Jänicke hat fünfzehn T-Shirts, aber nur vierzehn Hosen zu vermelden. Heike sagt ihr, dass sie es gut sein lassen soll, und erinnert an den Fisch in der Tiefkühltruhe, der jetzt dringend herausgenommen werden muss.
    Als Nächstes kommt ein weiterer Ultraschall, danach ein Erstgespräch. Bisschen viele Gespräche heute, noch vor der Mittagspause. Heike ist nicht mehr allzu neugierig auf die Menschen, auf die Komposition der Paare. Peinlich berührte Männer und schuldbewusste Frauen sind in der Mehrheit, knapp dahinter kommen die gebildeten Männer, die, im Bestreben, den Besuch beim Babydoktor als das Normalste der Welt erscheinen zu lassen, ihre Jovialität versprühen wie Raumspray. Die Frauen dazu sind gänzlich stumm oder bemühen sich um Sachlichkeit, um ihre Scham zu verbergen.
    Hin und wieder gibt es Abweichungen, Männer, die sich übergroße Sorgen machen, und Frauen, die nur aus irgendeiner Art von Pflichtgefühl gekommen sind. Die das Logo der Klinik, ein mit Pinselstrichen angedeutetes, in einen Arm geschmiegtes Baby, mit ironischem Lächeln betrachten. Es gab welche, von denen Heike annahm, sie würden eine Empfängnis halb unwillkürlich verhindern. Dazu sind Frauen in der Lage. Sie lassen sich von den misstrauischen Männern folgsam zum Arzt führen, um sich ihre Funktionsfähigkeit bestätigen zu lassen, und seufzen später wahrscheinlich: Wir wollten ja, aber es hat einfach nicht geklappt. Das ist eher selten, zugegeben. Wahrscheinlich trennen sich diese Paare bald und bekommen mit dem nächsten Partner problemlos Kinder.
    Es gibt Männer, die nur die Bestätigung wollen, dass es an der Frau liegt, und empört sind, wenn ihnen das obligatorische Spermiogramm abverlangt wird. Und es gibt Paare, die nicht genau zu wissen scheinen, wie Kinder normalerweise entstehen.
    Wie oft haben Sie durchschnittlich Geschlechtsverkehr?
    Äh … nicht so oft.
    Alles schon einmal dagewesen.
    Draußen auf dem Parkplatz wirft eine Frau plötzlich etwas hoch in die Luft, vermutlich ein Handy. Es kreiselt schwarz und blinkend und kommt zurück, die Frau fängt es auf und springt selbst in die Höhe, den rechten Arm mit dem Telefon im Triumph nach oben gereckt. Im Sprung klatscht sie sekundenkurz die Fußsohlen zusammen, wie ein Akrobat oder Zirkusclown. Es sieht märchenhaft aus, ein Hauch Mary Poppins, dabei geht es blitzschnell, man könnte es sich eingebildet haben, denn nun schlendert sie weiter, als ob nichts gewesen wäre. Da erkennt Heike Frau Molin, wahrscheinlich an ihrem Gang. Solchen Überschwang hätte sie ihr gar nicht zugetraut! Na ist doch schön, auch wenn die Klinik an dieser Schwangerschaft nun nichts Nennenswertes verdient hat.
    Der nächste Ultraschall verspricht ebenfalls gehobene Stimmung. Frau Cornelius ist eins von diesen Glückskindern, die unerlässlich sind für so überzeugende Schwangerschaftsraten, wie Heikes Klinik sie vorweisen kann. Beim ersten Versuch auf Anhieb schwanger, die Tochter ist inzwischen drei, und die fast vier Jahre alten Kryos, die

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