Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
wunderbar gemütlicher, offener Kamin (fireplace), der so schnell und zielgenau Frontalwärme verbreitet, dass man erste Brandwunden im Gesicht hat, bevor die Eisplatten in der Nierengegend zu tauen beginnen. Für den extremen Kältefall steht garantiert irgendwo eine elektrische Heizung rum, die man nur an irgendeiner Steckdose anschließen muss und – bingo!
Ach so, richtig. Die Sache mit den Steckdosen. Es ist neben den sagenumwobenen Kreisen im Kornfeld und dem Lochness-Monster Nessie das wahrscheinlich größte Mysterium Großbritanniens, warum in englischen Häusern auf zehn elektrische Geräte im Schnitt eine Steckdose kommt. Das hat zur Folge, dass man den Teigmixer auf dem Boden neben dem Fernsehapparat findet oder der Staubsauger ein dreißig Meter langes Verlängerungskabel braucht.
Aber immerhin! Wenn Ihr Gastgeber Sie ein Stockwerk höher in das neblige und nach Schwimmbad riechende Badezimmer führt, werden Sie merken, dass es hier gar keine Steckdosen gibt. Und auch keine Lichtschalter. Stattdessen aber massenhaft Strippen, die von der Decke baumeln und die mit Glück sogar beschriftet sind: eine Strippe für’s Licht, eine Strippe für den Ventilator, eine Strippe für den Handtuchwärmer, eine Strippe für das Heizöfchen (im Bad gibt es keine Heizung, schließlich muss auch der britische Schimmel eine faire Chance haben), eine Strippe, von der niemand weiß, wofür sie da ist, und eine Strippe für den Durchlauferhitzer. Dass dieses Gerät Wasser erwärmt, heißt nicht automatisch, dass man beim Duschen warmes Wasser bekommt. Weil das Prinzip der Mischbatterie sich in England noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat, gibt es in Waschbecken und Badewanne statt je einem Wasserhahn je zwei Wasserhähne, sodass man beim Händewaschen oder Duschen die Wahl zwischen arktisch kaltem oder kochend heißem Wasser 16 hat, falls man es überhaupt schafft, die Hände oder irgendein anderes Körperteil unter die direkt an der Wand angebrachten, irrsinnig kurzen Wasserhähne zu quetschen. Meiner Erfahrung nach lässt sich durch blitzschnelles Hin-und-Herbewegen der Hände unter beiden Wasserhähnen (praktisch eine Art extrem zackiger Kneippkur) zumindest der Eindruck einer Durchschnittstemperatur herstellen. Im Winter kann man sich die Mühe sparen, da ist das Wasser ohnehin oft eingefroren, da in vielen englischen Häusern die Versorgungsleitungen an den Außenwänden verlaufen.
Dafür sind die Füße immer warm. Denn englische Badezimmer und Toiletten sind mit dickflorigem Teppich ausgelegt. Denken Sie einfach nicht weiter darüber nach. Und da wir gerade dabei sind, über Toiletten nachzudenken: Wer hat sich ausgedacht, dass englische Toilettenschüsseln einen so winzig kleinen Abfluss haben, dass gerade mal eine Weintraube durchpasst? Falls Sie planen, in ein englisches Haus einzuziehen, legen Sie sich schon mal ein Bataillon Abflussreiniger (drain-cleaners) und Klobürsten (loo-brushes) zu, und eröffnen Sie ein Extrakonto für Klempnerarbeiten. Klempner (plumbers) sind in England so gefragt, dass ihr Stundenhonorar in etwa dem von David Cameron entspricht.
Waschmaschinen stehen in England übrigens nicht im Bad, sondern in der Küche. Es handelt sich meist auch nicht um Waschmaschinen, sondern um Waschtrockner (washerdryer), also Maschinen, die erst die Wäsche waschen und diese anschließend exakt in den halbtrockenen Zustand bringen, der es erforderlich macht, sie zum Trocknen einen Tag flächendeckend im ganzen Haus auszulegen: über den Stühlen, auf den Fensterbrettern, auf dem Kaminsims, auf dem Schreibtisch, auf dem Hund …
Dafür stolpern Sie in den meisten englischen Küchen im Gegensatz zu deutschen Küchen nicht über zehn verschiedene Mülltonnen. Das Prinzip der Mülltrennung ist in England noch recht neu. Und obwohl es ein paar Streber-Ortschaften gibt, wie das mittelenglische Newcastle-under-Lyme, wo man im Überschwang der Umweltgefühle gleich neun(!) Kriterien ausgemacht hat, nach denen Müll sortiert werden muss (Pappe, Plastik, Papier, Glas, Dosen, Stoffe, Gartenabfälle, Bio-Müll, Restmüll), trennen die meisten Engländer ihren Müll nach wie vor nach dem bewährten Schema „bleibt im Kühlschrank / kommt in die Mülltüte.“
Seien Sie bitte sehr, sehr vorsichtig mit irgendwelchen Kommentaren während ihrer Besichtigungstour des gastgeberlichen Zuhauses. Engländer sind passionierte DIYs – Do-it-yourself -Anhänger. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ausgerechnet
Weitere Kostenlose Bücher