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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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verriegelt und trugen Siegel aus Metall und farbigem Kunststoff. Er nahm das rechteckige Stück Plastik vorn aus seinen Jeans, streifte die Fallschirmschnur daran über seinen Helm und kletterte an den Stangen vor den drei Türen in die Höhe. Die Sohlen seiner Adidas-GSG9-Stiefel griffen gut auf dem lackierten Stahl der Türen. Er kletterte, wie Oshun ihm nahe legte, als täte er es aus reiner Begeisterung und hätte nichts anderes im Sinn, als zu beweisen, dass er es konnte.
    Sein Atem ging laut unter der schwarzen Filtermaske. Er achtete nicht darauf. Als er die Oberseite des glitschig feuchten Containers erreicht hatte, kletterte er darauf und bewegte sich von der Kante weg.
    Dann hockte er da und spürte plötzlich etwas, das er nicht benennen konnte. Die Göttin, der Lärm des Hafens, der Alte, die zehn angesprühten Scheiben, die ihm um den Hals hingen wie leere Amulette. Etwas würde sich verändern. In der Welt, in seinem Leben, das wusste er nicht. Er schloss die Augen. Sah die blaue Vase in ihrem Versteck auf dem Dach seines Hauses schwach leuchten.
    Nimm es an.
    Ja, das tue ich, sagte er zu ihr.
    In der Hocke bewegte er sich zum anderen Ende des Containers. Genau wie Garreth erklärt hatte, befand sich an jeder Ecke eine Klammer. Damit konnten diese Kästen miteinander verbunden werden. Er führte ein Seilende durch die Klammer auf der Seite, die vom Meer, das er nicht sehen konnte, wegzeigte. Er ging ans andere Ende, wickelte das Seil ab und knotete das andere Seilende fest. Das schwarze, an beiden Enden festgebundene Seil glitt seitlich vom Containerdach herunter. Er sah hinunter zu dem Seilbogen an der Seite des Containers und hoffte, dass er die Elastizität des Nylons richtig eingeschätzt hatte. Es war ein gutes Seil, ein Kletterseil.
    Ja, ich tu's, sagte er zu Oshun, ließ sich am Seil hinab und bremste sich dabei mit den seitlichen Kanten seiner Stiefel ab.
    Langsam richtete er sich mit leicht gebeugten Knien auf dem Seil auf, die Hände in den Handschuhen flach auf dem Stahl. Zwischen den Spitzen seiner schwarzen Stiefel Beton. Direkt vor seinem Gesicht war Garreths erstes Einschussloch. Der Stahl rundum war blank, die Ränder glänzten. Er holte den ersten Magneten aus seinem Plastikfutteral und platzierte ihn über dem Loch. Er heftete sich mit einem lauten Klacken am Container fest und erfasste dabei ein Stückchen Latexhandschuh. Tito befreite sich und riss das wegstehende Stück Latex ab. Er bewegte den linken Fuß, die linke Hand, den rechten Fuß, die rechte Hand. Er deckte das zweite Loch ab und achtete diesmal darauf, dass sein Handschuh nicht dazwischen geriet. Unter ihm rollte ein Gabelstapler vorbei.
    Er dachte daran, wie er dem Alten den ersten der iPods gebracht hatte, auf dem Washington Square an den Schachtischen. Schnee. Er sah nun, wie das die Dinge verändert und ihn hierher geführt hatte. Er deckte das dritte Loch ab. Bewegte sich weiter. Er dachte daran, wie er mit Alejandro Suppe gegessen hatte. Die vierte Scheibe heftete sich klackend an ihren Platz. Weiter. Fünf. Drei Männer liefen unter ihm vorbei, ihre Helme runde Plastikknöpfe, zwei rot, einer blau. Er blieb mit den Handflächen auf dem kalten Stahl still stehen. Sechs. Er dachte daran, wie er mit den Guerreros über den Union Square gerannt war. Sieben und acht waren kaum dreißig Zentimeter voneinander entfernt. Klack und Klack. Neun.
    Er kletterte wieder hinauf, die Füße an der türkisen Stahlwand. Er löste den Knoten am einen Ende und ließ das Seil los. Er ging zum anderen Ende, wo es jetzt direkt nach unten hing und sich auf dem Betonboden ringelte, und rutschte hinunter. Er zog sich die heiße Schutzmaske vom Gesicht und atmete tief die ungefilterte, kühle Luft ein. Dann ließ er das Seil schnalzen, sodass der zweite Knoten aufging. Es landete in seinen Armen, und er wickelte es rasch auf und ging davon.
    Als er den Container des Alten nicht mehr sah, warf er das Seil, den Atemschutz und den Beutel dazu in einen Müllcontainer. Die zerfetzten Handschuhe legte er auf dem Kotflügel eines Gabelstaplers ab. Die grüne Arbeitsjacke wanderte in einen leeren Zementsack und dann ebenfalls in einen Müllcontainer.
    Er zog sich die Kapuze des schwarzen Sweatshirts über den Kopf und setzte den Helm wieder darüber. Oshun war verschwunden. Jetzt musste er hinausfinden.
    Hundert Meter vor sich sah er eine Diesellokomotive langsam vorbeirumpeln, bemalt mit schwarz-weißen Diagonalstreifen. Sie zog einen ewig langen

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