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»Arrr, matey«, zitierte sie, wandte ihren Blick wieder Bigend zu und trank ihren Gin Tonic aus.
»Echte Piraten«, sagte Hubertus Bigend, ohne zu lächeln. »Die meisten von ihnen jedenfalls.«
»Die meisten?«
»Einige von ihnen gehörten zu einem verdeckten Maritimprogramm der CIA.« Bigend stellte seinen leeren Plastikbecher auf den Tisch, als sei er ein Gegenstand, den er bei Sotheby's ersteigern wollte. Dann formte er mit den Fingern einen Rahmen darum, ein Regisseur auf der Suche nach dem passenden Ausschnitt. »Sie haben verdächtige Frachtschiffe aufgespürt, um sie auf Massenvernichtungswaffen zu untersuchen.« Ernst blickte er Hollis an.
»Ohne jede Ironie?«
Er nickte. Eine winzige Kopfbewegung, äußerst präzise.
So nickten vielleicht Diamantenhändler in Antwerpen, dachte Hollis. »Und das ist kein Bullshit, Mr. Bigend?«
»Es ist so gefährlich nahe an den Fakten, wie ich es mir erlauben kann. An Informationsmaterial wie dieses kommt man nicht so leicht heran, wie Sie sich denken können. Eine bittere Ironie aber ist vielleicht, dass dieses Programm, das offensichtlich ziemlich effektiv war, sozusagen dem Rückstoß politischer Auseinandersetzungen hier in den USA zum Opfer fiel. Vor gewissen Enthüllungen und bevor der Name einer Scheinfirma bekannt gemacht wurde, begleiteten CIA-Teams, verkleidet als Piraten, echte Piraten beim Entern von Handelsfrachtern, die man verdächtigte, Massenvernichtungswaffen zu schmuggeln. Mit Hilfe von Strahlungsdetektoren und anderen Geräten untersuchten sie die Laderäume und Container, während die echten Piraten nahmen, was immer ihnen an der normalen Fracht gefiel. Das war sozusagen die Abfindung für die Piraten, dass sie sich ihren Anteil an der Fracht nehmen konnten, vorausgesetzt die CIA-Teams durften zuerst einen Blick auf alle Laderäume und Container werfen.«
»Container?«
»Ja. So unterstützten sich die Teams und die Piraten gegenseitig. Die Teams schmierten gewöhnlich die lokalen Behören großzügig und die US-Navy blieb fern, wenn eine dieser Operationen durchgeführt wurde. Die Schiffsbesatzungen hatten immer das Nachsehen, egal ob Schmuggelware entdeckt wurde oder nicht. Wurde etwas gefunden, wurden sie später mit einem Verbot belegt, das sie nicht mit unseren Piraten in Zusammenhang bringen konnten.« Bigend signalisierte dem Ober, dass er noch einen Piso wollte. »Auch noch einen Drink?«
»Mineralwasser«, antwortete Hollis. »Joseph Conrad. Kipling. Oder ein Film.«
»Die Piraten, die sich dabei am besten anstellten, waren aus Aceh im Norden von Sumatra. Bestes Conrad-Territorium, glaube ich.«
»Und haben sie viel gefunden, diese falschen Piraten?«
Wieder das Diamantenhändlernicken.
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Im August 2003 enterte eine dieser gemeinschaftlichen CIA-Piraten-Operationen einen Frachter unter panamesischer Flagge, der vom Iran nach Macao unterwegs war. Das Interesse des CIA-Teams galt vor allem einem bestimmten Container. Sie hatten gerade die Versiegelung aufgebrochen und ihn geöffnet, als sie über Funk die Order bekamen, es zu lassen.«
»Zu lassen?«
»Den Container und die ganze Aktion sein zu lassen, den Frachter zu verlassen. Diesen Anordnungen wurde natürlich Folge geleistet.«
»Wer hat Ihnen diese Geschichte erzählt?«
»Jemand, der von sich behauptet, bei der Entermannschaft der CIA dabeigewesen zu sein.«
»Und Sie glauben, dass Chombo irgendetwas damit zu tun hat?«
Bigend lehnte sich weiter zu Hollis herüber und senkte die Stimme: »Ich habe den Verdacht, dass Bobby in regelmäßigen Abständen weiß, wo dieser Container ist.«
»In regelmäßigen Abständen?«
»Offensichtlich ist er noch immer irgendwo da draußen«, meinte Bigend. »Wie der Fliegende Holländer.« Sein zweiter Piso kam, zusammen mit dem Wasser für Hollis. »Auf Ihre nächste Story«, toastete er und stieß mit dem Rand seines Plastikbechers an den ihren.
»Die Piraten …«
»Ja?«
»Haben sie gesehen, was drin war?«
»Nein.«
»Die meisten Leute fahren diese Autos nicht selbst«, sagte Bigend und schwenkte in östlicher Richtung auf den Sunset.
»Die meisten Leute fahren sie gar nicht«, korrigierte Hollis vom Beifahrersitz aus. Sie reckte ihren Kopf nach hinten, um das zu sehen, was man wohl als Passagierfond bezeichnete. Statt eines einfachen Schiebedachs gab es ein Mattglas-Panoramadach. Und eine Menge hochglanzpoliertes Holz. Der Rest war in anthrazitgrauem Leder gehalten.
»Ein Brabus
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