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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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über deinen IF nachgedacht«, hörte Milgrim sich selbst sagen. »Über dieses Volapuk. Wenn die von der NSA können, was sie behaupten, dann dürfte es doch ziemlich simpel sein, einen Algorithmus einzubauen, der dein Volapuk rausfiltert und sonst nichts. Du bräuchtest nicht mal eine Probe von ihrem Familiendialekt. Du könntest einfach ein halbes Dutzend Beispiele von Volapukdialekten nehmen und daraus eine Art Mittelwert bilden. Alles, was dann das Telefonsystem passiert und in dieses Schema passt, bingo. Dann bräuchtest du auch nicht mehr die Batterien am Kleiderständer des IF wechseln.«
    Milgrim war stolz, dass ihm das eingefallen war. Aber Brown konnte er damit nicht glücklich machen, das sah er. »Das ist nur interessant bei internationalen Gesprächen«, sagte Brown und schien zu überlegen, ob er ihm eine reinhauen sollte oder nicht.
    »Ah«, sagte Milgrim. Er vertiefte sich wieder in seine Lektüre. Brown telefonierte erneut und machte mit verhaltener Stimme wieder jemand anderen zur Schnecke, weil er den IF und den anderen Typen verloren hatte.
    Jetzt konnte Milgrim sich nicht mehr auf seinen Artikel konzentrieren, tat aber weiter so, als würde er lesen. Langsam stieg in ihm eine Ahnung hoch, die aus einer ganz neuen, ganz besonders beunruhigenden Ecke kam. Bis jetzt hatte er fest angenommen, dass Brown und seine Leute irgendwelche Regierungsagenten waren, wahrscheinlich vom FBI. Wenn aber die NSA das getan hatte, was dieser Times- Artikel behauptete, und er, Milgrim, das lesen konnte, warum sollte er dann annehmen, dass Brown die Wahrheit gesagt hatte? Die Amerikaner nahmen doch diese NSA-Sache nur deswegen so locker, weil sie spätestens seit den 60er Jahren sowieso damit rechneten, dass die CIA jedermanns Telefon anzapfte. Das war Stoff für billige Fernsehserien. Schon die kleinen Kinder wussten, dass es so etwas gab.
    Aber wenn jemand in Manhattan SMS in Volapuk schrieb und die echten Regierungsleute so dringend darüber Bescheid wissen mussten, wie Brown es offensichtlich tat, würden sie dann nicht einen Weg finden? Milgrim faltete die Zeitung zusammen.
    Und wenn Brown in Wirklichkeit kein Regierungsagent war?, fragte eine nach oben drängende Stimme. Bis jetzt hatte ein Teil von Milgrim bereitwillig angenommen, wenn man von FBI-Agenten gefangen gehalten wurde, würde man gleichsam auch unter ihrem Schutz stehen. Während die Mehrheit der Seelen in seiner Brust den Verdacht hatte, dass dies eine dubio-se Schlussfolgerung war, hatte es doch vielleicht diese neue Ruhe und Perspektive gebraucht, die das neue Medikament mit sich gebracht hatte, um ihm diesen Moment einer umfassenden Erkenntnis zu ermöglichen: Was, wenn Brown einfach nur ein Arschloch mit einer Knarre war?
    Darüber musste er nachdenken und zu seinem eigenen Erstaunen fühlte er sich dazu fähig. »Ich muss auf die Toilette«, sagte er. Brown deckte das Handy mit der Hand ab. »Zur Hintertür raus, durch die Küche«, sagte er. »Da draußen steht übrigens jemand, falls du glaubst, du kannst abhauen. Wenn sie annehmen müssen, dass du abhauen willst, schießen sie auf dich.«
    Milgrim nickte und stand auf. Er würde nicht davonlaufen, aber zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, Brown könnte bluffen.
    Im Vorraum der Toilette ließ er kaltes Wasser über seine Handgelenke laufen. Dann betrachtete er seine Hände. Sie gehörten immer noch ihm. Er wackelte mit den Fingern. Erstaunlich, wirklich.

17. PIRATEN UND CIA-TEAMS
    Die vordere Partie ihres Mondrian -Haarschnitts erinnerte sie jetzt an Bobby Chombos Stirnlocken-Elefantiasis und war das Ergebnis einer fortschreitenden Interaktion von Pflegeprodukten und Schmutzpartikeln. Was auch immer der Friseur aufgetragen hatte, es zog jetzt jedes Molekül des Luftgebräus im Becken von L.A. an und dazu den Qualm der x Zigaretten, die Bobby vor kurzem unmittelbar neben ihr geraucht hatte. Das sieht nicht wirklich gut aus, dachte sie und meinte dabei nicht so sehr die in ihren Augen bescheidene Gesamterscheinung, die sie ihrem neuen Arbeitgeber präsentieren würde, sondern den bisherigen Gesamtverlauf ihres Lebens und die Richtung, die es gegenwärtig nahm. Alles bis zu dieser Minute, bis hin zu Chombo und seinem Gitternetzboden. Chombo, der Angst davor hatte, zweimal im selben Gitterquadrat zu schlafen …
    Trotzdem: Lipgloss, Ohrringe. Oberteil, Rock und Strumpfhose aus der abgegriffenen Barneys-Tüte, die sie benutzte, um die Ausgeh- von der Alltagskleidung zu trennen.
    Als Tasche wählte

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