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verschwanden. »Wohin fahren wir, Mr. Bigend?«
»Hubertus. Zur Agentur. Dort kann man besser über alles reden.«
»Agentur?«
»Blue Ant.«
Und jetzt erschien auf dem Display, bewegungslos und scharf umrissen hieroglyphisch, das Insekt selbst. Blau. Hollis sah wieder zu Bigend hinüber.
Sein Profil erinnerte sie dunkel an jemanden.
18. ELEGUAS FENSTER
Tante Juana schickte ihn zu Fuß quer durch die Stadt: entlang der 110th Street bis zur Amsterdam Street und der Cathedral of St. John the Divine, weil man dort Elegua am besten konsultieren konnte. Den Besitzer der Straßen und Türen dieser Welt, wie sie sagte. Den Herrn der Scheidewege, der Kreuzung des Menschlichen mit dem Göttlichen. Weswegen in dieser große Kirche in Morningside Heights heimlich ein Fenster und ein Ort der Anbetung für ihn errichtet worden sei.
»In keiner der beiden Welten kann etwas ohne seine Zustimmung getan werden«, sagte sie.
Als Tito den Hügel hinaufging, vorbei an Hühnerdraht und plakatbeklebtem Sperrholz, wo die Stützmauer des Kirchenareals schon vor langer Zeit durch Regen zum Einstürzen gebracht worden war, fing es an zu schneien. Er stellte seinen Kragen auf, rückte den Hut zurecht und ging weiter. Der Schnee war ihm jetzt nicht mehr fremd. Trotzdem war er froh, endlich die Amsterdam zu erreichen. Er sah die unerleuchtete Neonreklame von V&T Pizza, ein Hinweis, dass es hier auch Menschen gab, ging dann am Pfarrhaus vorbei und am Garten, der den ewig wasserlosen Brunnen mit seiner deliriösen Skulptur umgab, mit dem Kopf von Satan aufgehängt an der großen Bronzeschere der Heiligen Krabbe Gottes. Als Juana das erste Mal mit Tito hier gewesen war, hatte ihn diese Brunnenskulptur am meisten gefesselt, sie und die vier Pfaue, von denen einer ein Albino war und laut Juana Orunmila geweiht.
Es gab keine Aufpasser an der Tür der Kathedrale, aber sie warteten drinnen mit der Bitte um eine Fünf-Dollar-Spende. Wie Juana es ihm gezeigt hatte, nahm er den Hut ab und bekreuzigte sich, ließ unter dem Vorwand, er könne kein Englisch, die Aufpasser links liegen, entzündete eine Kerze und gab vor zu beten.
Unendlich viel Raum bot diese Kirche. Die größte Kathedrale der Welt, wie Juana sagte. An diesem Schneemorgen fand Tito sie menschenleer (oder zumindest schien es so) und kühler, als es auf der Straße war. Ein Nebel, eine Wolke aus Geräuschen, hing in der Luft: Winzige Echos, in Schwingung versetzt durch jede Bewegung in der Kirche, schienen endlos zwischen den Säulen und über dem Steinboden hin und her zu schwirren.
Tito ließ seine brennende Kerze neben vier anderen stehen und ging auf den Hauptaltar zu. Er beobachtete seinen Atem und hielt einmal an, um zurückzublicken auf die riesige Fensterrosette über dem Portal, durch das er hereingekommen war.
Eine der steinernen Nischen an den Seiten dieses gewaltigen Raumes gehörte Elegua, was durch Bilder in farbigem Glas angezeigt wurde. Ein Santero befragte ein Blatt mit Zeichen, unter denen sich die Zahlen 3 und 21 fanden, durch die der Orisha sich selbst erkennt und erkannt wird; ein Mann kletterte einen Pfahl hinauf, um ein Abhörgerät zu installieren; ein anderer Mann blickte auf den Monitor eines Computers. Alles Bilder von Wegen und Weisen, mit denen die Welt und die Welten verbunden sind, und alle diese Wege unter der Aufsicht des Orishas.
Im Stillen, wie Juana es ihn gelehrt hatte, entbot Tito ihm respektvoll seinen Gruß.
Auf einmal war da eine Störung im Nebel der Geräusche, ein Geräusch lauter als der Rest, die Quelle sofort verloren im Schwirren des Echos. Tito blickte hinter sich, das Kirchenschiff hinunter, und sah eine einzelne Gestalt auf sich zukommen.
Er blickte hinauf zu Eleguas Fenster, auf dem ein Mann etwas wie eine Maus bediente, ein anderer ein Keyboard, obwohl die Umrisse dieser vertrauten Gegenstände archaisch und ungewöhnlich aussahen. Und bat darum, beschützt zu werden.
Er blickte sich wieder um und es sah aus, als sollte an dem alten Mann die Wirkung von Perspektive und die Unvermeidbarkeit des Herannahens eines bestimmten Moments illustriert werden. Schnee überstäubte die Schultern seines Tweedmantels und die Krempe eines dunklen Hutes, den er gegen seine Brust drückte. Sein Kopf war leicht gebeugt, während er ging. Sein graues Haar schimmerte wie Stahl vor den stumpfen Kittfarben des Steins in der Kathedrale.
Und dann stand er da, reglos, genau vor Tito. Er blickte Tito direkt in die Augen, dann hoch zum Fenster.
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