und fragte sich, ob sie wohl durch die Tür hindurchsehen könnte, wenn sie sich stark genug konzentrierte. Nein, beschloss sie, selbst wenn sie es könnte, würde sie es nicht tun. Für solche Scherze würde sie ihre Psycho-Power nicht missbrauchen.
Stattdessen schlenderte sie zum Computer hinüber, um nachzusehen, ob sie irgendwelche E-Mails bekommen hatte. Auf dem Bildschirm stand der Anfang eines Briefes von Alex an Mrs Bass in der Bibliothek von Crow Creek: Wissen Sie vielleicht, was Thantos bedeutet? Der Name kommt mir bekannt vor, kann sein, dass ich ihn in diesem Mythologie-Buch gesehen habe, das ich damals so verspätet zurückgebracht habe, als meine Mom ...
Da endete die Nachricht. Mit dem Wort Mom.
Mühelos und beinahe gegen ihren Willen erkannte Cam, was sich abgespielt hatte. Als sie mitten in ihrer E-Mail an die Bibliothekarin war, hatte Alex an Sara, ihre Mutter, gedacht -vielleicht auch Cams wirkliche Mutter ... Dann hatte sie wahrscheinlich das Bedürfnis verspürt, irgendetwas zu berühren, das Sara gehört hatte oder das sie getragen hatte. Irgendetwas, das Alex aufbewahrte ...
Cam fühlte sich auf einmal ausgeschlossen. Sie sehnte sich danach, mehr über Sara zu erfahren. Doch bislang hatte sie Alex nur entlocken können, dass ihre Mutter stark und liebevoll gewesen war und dass sie braune Augen gehabt hatte, keine grauen. Ach ja, und dass sie mit der Bibliothekarin aus Crow Creek zur Schule gegangen war.
Aber wenn Sara, die erst vor wenigen Wochen gestorben war, ihrer beider Mutter war ... zu wem wollte sie dann dieser Irre, dieser Thantos bringen? Die Vorstellung, dass er tatsächlich Sara gemeint haben, dass er sie zu einer Toten bringen könnte, ließ Cam erzittern.
Und wenn Sara nun doch nicht ihre wirkliche Mutter war? Wenn man Alex genauso betrogen hatte wie sie selbst ? Wenn die Frau, die Alex vierzehn Jahre lang für ihre Mom gehalten hatte, in Wirklichkeit ebenso wenig ihre richtige Mutter war wie Emily die von Cam ?
Camryn blickte wieder auf den Computerbildschirm. Und sah:
[email protected] Ein vertrautes Gefühl überkam sie. Mit gekrümmten Schultern schlug sie die Arme um ihren Körper und zitterte. Beth nannte diese Haltung »Vorahnungs-Position«.
Warum war sie nicht schon früher darauf gekommen, fragte sie sich lächelnd. Alex wollte nicht über Sara sprechen - aber Doris Bass vielleicht.
»Ich soll also deine Gedanken in Ruhe lassen, während du in meinen E-Mails rumschnüffeln darfst?«, warf ihr Alex wenige Minuten später vor, als sie wieder aus dem Badezimmer kam. »Glaubst du, es ist mir peinlich, dass ich ganze zwei Sätze über etwas lesen konnte, das wir schon mal gemeinsam besprochen haben? Ehrlich gesagt: überhaupt nicht. Du hast mir doch erzählt, dass du Madame Bibliothek fragen wolltest, was der Name dieses Kerls bedeutet - schon vergessen?«
»Hach, das tut mir aber Leid«, erwiderte Alex sarkastisch. »Wahrscheinlich hast du das unwiderstehliche Bedürfnis verspürt, genau auf diesem Stuhl abzuhängen und mal zu gucken, was so auf dem Bildschirm steht.«
»Ich hab wirklich Besseres zu tun«, sagte Cam. »Zum Beispiel Einladungen für die Halloween-Party zu verschicken, die ich organisieren will.«
»Da habe ich Geburtstag«, bemerkte Alex unwillkürlich. Ihre Finger, mit der sie die Kette ihrer Mutter umklammerte, erwärmten sich langsam. »Mann, was für ein Zufall. Ich auch!«
Alex ging zum Computer hinüber und warf einen Blick auf den Bildschirm. Ein orangefarbener Kürbis leuchtete ihr entgegen. Durch einen Mausklick erschien der Umriss einer Hexe, die auf einem Besenstiel ritt.
»Cool«, wollte Alex eigentlich sagen, aber stattdessen formten ihre Lippen das Wort »heiß«. Das goldene Amulett brannte sich in ihre Handfläche. Sie bog ihre Finger auseinander und starrte den Halbmond-Anhänger an.
»Heiß? Na, das ist vielleicht doch ein bisschen übertrieben.« Cam lachte und wandte sich um. »Was ist los, Als?« Alex wirkte angsterfüllt. Ihr Arm schien sich wie von selbst zum Hals ihrer Zwillingsschwester zu recken. Sie konnte es nicht verhindern. Schlimmer noch: Sie wollte es auch gar nicht.
Cam erhob sich, trat einen Schritt zurück und bemerkte dann das Amulett in Alex' ausgestreckter Hand, das perfekt zu dem passte, das um ihren Hals hing. Sie hob ihre schimmernde Kette ein wenig an, um die Ähnlichkeit näher betrachten zu können.
Noch bevor ihr bewusst wurde, dass ihr Anhänger mit Sonnenstrahlen verziert war und Alex'