Quelle des Unheils
leidenschaftliche und anspruchsvolle Schülerin. Und es war Karshs größtes Vergnügen, junge Zöglinge zu lehren, wie sie ihre Fähigkeiten erweitern - und auch anwenden konnten. Ileana, die noch immer den blutigen Stoff in der Hand hielt, beugte sich nieder, um Artemis zu betrachten. Die suchenden Hände des Kindes erfassten ihr Haar und zogen mit ungeahnter Kraft daran. Ileana, entzückt und verwundert zugleich, stieß einen Schrei aus.
Endlich erwachte Miranda und darauf auch Apolla, deren kleine Faust die goldene Kette hielt.
Ileana befreite den Schmuck aus ihrem Griff. »Oh, diese ist ja genauso reizend«, bemerkte sie.
»Meine Töchter.« Miranda lächelte schüchtern. »Ähneln sie nicht der Familie ihres Vaters?« Dann bemerkte sie den Umhang. Nahm zunächst den Duft der Wolle wahr. Doch da war noch etwas. Ein bitterer Geruch, der ihre Sinne verwirrte. »Aron?«, rief sie aus. Dann erblickte sie das Blut. Miranda schlug wie wild um sich. Sie entriss Ileana den Umhang und verbarg ihr Gesicht darin.
Rasch nahm Karsh die Kinder. Er übergab sie Ileana und legte seine Arme um Miranda. Sanft wiegte er sie hin und her, während sie vor Entsetzen wimmerte. Er presste ihren Kopf an seine Brust und tröstete sie. Sie bäumte sich auf. Ihr Schluchzen wurde zu Schreien, ihre Zähne gruben sich in seine Schulter. Schließlich verließen sie ihre Kräfte und sie verstummte, zitternd und bebend.
Ileana brachte die neugeborenen Zwillinge vor das Haus, während Karsh Arons Blut von Mirandas Gesicht und Haaren wusch. »Sagt mir, Miranda, wann ging er und aus welchem Grund?«, fragte der weißhaarige alte Hexer. »Thantos kam«, erwiderte sie tonlos. Karsh nickte und reinigte sanft ihr Gesicht, ihre geschlossenen Augenlider. Sie hatte aufgehört zu weinen. Und zu zittern.
»Thantos rief nach ihm. Aron bat ihn herein, doch Thantos lehnte ab. Aron ging, um mit seinem Bruder zu sprechen ...« Ileana vernahm draußen ihre Worte. Sie presste die Kinder dicht an sich und sprach leise und beruhigend auf sie ein. Lord Thantos, Arons eigener Bruder, hatte den Vater der Mädchen getötet. Hatte sie zu Halbwaisen gemacht. Auch sie selbst hatte keinen Vater ... Nun, aber diese beiden hatten zumindest noch eine Mutter. Die herrliche und mächtige Miranda. Herrlich? Mächtig?
»Meine Kinder! Karsh, wo sind meine Kinder?« Sie stöhnte auf. »Thantos - er wird versuchen, sich ihrer zu bemächtigen. Er wird keine Ruhe geben, bis sie in seinen Händen sind ...» Ileana kehrte ans Lager zurück. »Hier, Lady Miranda. Hier sind Eure Kleinen. Sie sind wohlauf. Und ich werde dafür Sorge tragen, dass ihnen kein Leid geschieht - so lange Ihr es wünscht. Niemand wird ihnen jemals etwas antun können. Das verspreche ich!«
Miranda sah ihre Töchter nicht an. Stattdessen betrachtete sie Ileanas Gesicht, ließ ihre Augen über die Züge des Mädchens wandern, als versuche sie, sich alle Einzelheiten einzuprägen. »Wer seid Ihr?«, flüsterte sie kaum hörbar. »Ileana«, erwiderte Ileana. »Ich bin Lord Karshs Mündel...«
»Ich kenne Euch. Ich kenne Euren Vater. Bitte fügt meinen Kindern kein Leid zu. Schützt sie. Und rettet sie!»
Kapitel 13 - FREIHEIT FÜR EDDIE
Draußen sank die Dämmerung herab. Der Mond erschien blass am Firmament und die ersten Sterne kündigten die beginnende Nacht an. Nach Karshs langer Erzählung herrschte Stille im Raum. Jeder der Anwesenden hing seinen Gedanken nach, versuchte für sich zu verstehen, welch ungeheuerliche Geschichte Karsh vor ihnen ausgebreitet hatte. Endlich brach der alte Zauberer das Schweigen. Er sah auf die Uhr.
»Oh«, sagte er entschuldigend, »Ich muss gehen. Ileana wird sehr zornig auf mich sein. Sie wartet darauf, dass sie mich nach Hause bringen kann ...«
»Ileana?«, fragte Cam mit bewegter Stimme. »Ist sie das? Die uns gerettet hat, als wir noch klein waren?« Karsh nickte. »Von jenem fürchterlichen Tag an war es ihre Aufgabe, euch zu leiten und zu beschützen.« Langsam erhob er sich und bündelte einige Papiere, die auf Davids Schreibtisch lagen. »Macht ihr die Arbeit nicht so schwer.« Er lachte leise. Cam sprang auf. »Sie können uns doch jetzt nicht...«, setzte sie an.
»Verlassen?« Karsh schüttelte den Kopf. »Niemals - solange noch Leben in mir steckt. Dieses Versprechen habe ich schon vor langer Zeit gegeben.« Er warf einen kurzen Blick auf Dave, als wollte er ihn um die Erlaubnis bitten weiterzusprechen, und Dave verstand ihn und nickte. »Ich habe dieses
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