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Quelle des Unheils

Quelle des Unheils

Titel: Quelle des Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. B. Gilmour , Randi Reisfeld
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Das geschah immer, wenn sie eine Vision hatte. Sie schloss die Augen und sah, in einer blitzenden Folge von grellen Bildern, Cade Richmans entsetztes Gesicht, das rasende rote Cabrio, ein Sauerstoffzelt in einem Krankenhauszimmer und Madison Knudniks schelmisches Grinsen. Langsam, Mädchen. Ruckartig schlug Cam die Augen auf. So viel kann ich nicht auf einmal verarbeiten. »Was soll das heißen?«, fragte Alex.
    »Cam hat Recht. Du siehst nicht besonders gut aus«, erwiderte Beth. Sie schob ihren Stuhl zurück und sammelte die Einkaufstüten ein, die in einem Haufen zu ihren Füßen lagen. »Wir sollten uns besser auf den Weg machen. Meine Mutter wartet sicher schon auf uns ...«
    Cam erhob sich langsam. Alex hielt sie zurück. »Lass nur, wir wollen später den Bus nehmen«, sagte Alex. Beth zuckte mit den Schultern. »Wie ihr wollt, ihr zwei Unzertrennlichen. Bis die Tage.«
     
    Sie saßen kaum auf ihren Plätzen im Bus, als Alex schon anfing, Cam auf den letzten Stand der Dinge zu bringen. »Okay, also erst mal: Du hattest Recht, so was von Recht. Eddie hat die Wahrheit gesagt. Jedenfalls in der Hinsicht, dass er nicht hinter den Diebstählen bei den Richmans steckt. Frag mich nicht, woher, aber Cade weiß, dass Eddie es nicht war ...«
    »Du hast seine Gedanken gelesen!«, quietschte Cam erfreut. »War gar nicht so leicht. Aber als er irgendwann angefangen hat, mit meinem Amulett rumzuspielen: Sesam öffne dich! -auf einmal wusste ich genau, was er gerade denkt. Und unter anderem dachte er an dieses rote Cabrio, was du gesehen hast. Ein ...«
    »Ein BMW«, sagte Cam. »Natürlich.«
    »Gehört seiner Schwester Karen. Und der kleine Junge, Cami.
    Sie hat ihn tatsächlich angefahren - oder wer auch immer am Steuer saß. Und er ist nicht tot!«
    »Liegt er in diesem Sauerstoffzelt im Krankenhaus?«
    »Im Krankenhaus ist er auf jeden Fall. Ich weiß aber nicht, wo und in welchem. Ich weiß nicht mal, wo der Unfall passiert ist. Du?«
    Cam schüttelte den Kopf. »Ich hab nur eine dunkle Straße gesehen. Eine dunkle Straße, diesen verschwommenen roten Fleck, das offene Verdeck, Scheinwerfer, ein rennendes Kind...«
    »Und ich habe dieses Lachen gehört«, ergänzte Alex. »Es kam aus dem Wagen. Und dann die Schreie und ... ein Geräusch, dieses schreckliche Geräusch, als sie ... den Jungen erwischt haben, nehme ich an. Aber wieso sollte ein kleines Kind nachts allein über eine dunkle Straße rennen? Du hast nicht zufällig seine Mom gesehen oder sonst irgendjemanden? Ich meine, wenn du es dir noch mal vorstellen könntest...« »Oh nein«, sagte Cam entschieden. »Verschone mich. Ich will das nicht schon wieder durchmachen. Meine Kopfschmerzen lassen gerade erst nach.«
    »Na, was sollen wir dann unternehmen? Ich meine, ich habe ja nichts davon gesehen. Das Zimmer im Krankenhaus, Cami. Kannst du da vielleicht irgendeine Akte erkennen oder so was? Diese Armbänder aus Plastik, die man den Patienten umbindet? Wenn wir wüssten, wie der Junge heißt, könnten wir die Kliniken durchtelefonieren, bis wir ihn gefunden haben.«
    »Und dann? Ich weiß schon, was du denkst - dass wir ihn retten können, ihn heilen können, seine Knochen oder was auch immer kaputt ist, wieder in Ordnung bringen können. Aber wir sprechen hier von einem Kind, Alex, einem menschlichen Wesen. Er ist doch keine Maschine ...«
    »Schon gut, schon gut.« Sie hatten schon früher einmal so etwas Ähnliches erlebt. Dinge wieder in Ordnung gebracht -Gegenstände, aber niemals Menschen geheilt. Cam hatte ihre unglaubliche Sonnenkraft angewandt und Alex ihr herausragendes Gehör, das es ihr ermöglichte, sich im Dunkeln zurechtzufinden. Gemeinsam hatten sie Eisen verbiegen können. Doch würde es ihnen gelingen, mit den gleichen Mitteln ein krankes Kind zu heilen ?
    Alex wandte sich ab und blickte aus dem Fenster des Busses -als ob sie so ihre Zweifel vor Cam verbergen könnte. Eine Zeit lang sprach keine von ihnen. Dann, als sie schon fast an ihrer Haltestelle angekommen waren, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Die Berührung ließ ein eisiges Frösteln über ihren Rücken laufen.
    »Karsh hat ja behauptet, dass wir heilende Fähigkeiten haben, erinnerst du dich?«
    Alex starrte ihre Doppelgängerin an. Cams Augen blickten ins Leere und waren beinahe geschlossen. Sie krümmte sich vor Schmerzen. »Und dass wir anderen helfen sollen«, sagte sie mit zitternder Stimme.
    »Du hast's geschafft.« Alex schlang ihre Arme um ihre bebende Schwester.

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