Quellen Der Lust
brauchte ihre ganze Willenskraft, um ihn weiterhin ausdruckslos anzusehen, und nicht einmal dann war sie sicher, dass es ihr gelang.
Er räusperte sich und hielt ihr die Blumen entgegen. „Für dich. Ich hoffe, es sind immer noch deine Lieblingsblumen.“
Sie nahm den Strauß und versuchte, das Prickeln in ihrem Arm zu ignorieren, als sie mit ihrer behandschuhten Hand die seine streifte. „Das sind sie.“ Sie hielt die herrlichen Blüten vor ihr Gesicht und atmete den Duft tief in sich ein, damit sie Zeit gewann, sich zu fassen. „Sie sind schön. Danke.“
„Gern geschehen. Sie haben mich an dich erinnert.“
Schweigen breitete sich aus, ein Schweigen, von dem sie wünschte, er würde es brechen. Als er das nicht zu tun schien, fragte sie schließlich: „Was machst du hier, Simon?“
„Ich möchte mit dir reden und hielt es für das Beste, dies hier zu tun. Ich fürchtete, wenn ich im Cottage vorspreche, würden meine Innereien sich in Baxters bloßen Händen befinden, ehe ich die Gelegenheit hätte, etwas zu sagen.“
Vermutlich hatte er recht. „Worüber möchtest du mit mir reden?“
„Ich dachte, du möchtest vielleicht wissen, dass die Nachricht, die Ridgemoor in der Schatulle versteckte, inzwischen entschlüsselt ist. Darin wird Waverly als der Mann genannt, der versucht hat, ihn zu töten. Außerdem konnten wir damit beweisen, dass Waverly sich des Diebstahls und des Verrats schuldig gemacht hat.“
„War sonst noch jemand darin verwickelt?“
„Nein. Waverly handelte allein. Ridgemoor tat England einen großen Gefallen, als er Waverlys Verrat mit diesem Brief belegte. Du solltest wissen, dass der Earl als Held starb.“
Genevieve nickte langsam, dann sagte sie: „Danke, dass du es mir erzählt hast, auch wenn es nicht nötig war, den ganzen Weg hierher zu kommen. Du hättest einfach eine Nachricht schicken können.“
„Nein, denn es gibt etwas, das ich dir geben will. Dir zurückgeben, genau genommen, denn es gehört dir.“ Er griff in seine Tasche und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus, das er ihr hinhielt.
„Was ist das?“
„Falte es auf.“
Sie tat es und blickte auf ihre eigene, verkrampfte Handschrift. Verschmierte Tinte am unteren Rand.
Sie ließ den Blick über die Worte „die moderne Frau von heute“ schweifen und errötete. Kein einziges Mal hatte sie daran gedacht, dass er ihr Manuskript in ihrem Schreibtisch finden könnte, vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil sie nicht den Mut gefunden hatte, seit seiner Abreise irgendetwas zu Papier zu bringen.
„Dieses Stück Papier hat mir das Leben gerettet.“
Sie sah zu ihm auf. „Wie bitte?“
„Ich fand es im Papierkorb neben deinem Sekretär in jener letzten Nacht, als ich dein Cottage durchsuchte. Ich brachte es nicht über mich, es einfach liegen zu lassen, daher faltete ich es zusammen und steckte es in meine Westentasche. Als Waverly wissen wollte, wo der Brief ist, behauptete ich, ich hätte ihn und zog dieses Blatt hervor. Dann ließ ich es zwischen uns zu Boden fallen und gewann damit den Augenblick, den ich brauchte, um ihn abzulenken und zu überwältigen.“
Genevieve schluckte. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber wenn es dir geholfen hat, dann bin ich sehr froh, dass du es genommen hast.
„Das bin ich auch.“ Er sah ihr in die Augen, und sie hatte den Eindruck, er könnte ihr direkt in die Seele sehen. „Du bist Charles Brightmore.“
Sie hatte gewusst, dass das kommen würde, aber trotzdem versetzte es ihr einen Stich, als er die Worte aussprach. „Hätte es Sinn, das zu leugnen?“
Die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. „Nein.“ Dann machte er eine Pause und fügte hinzu: „Du hast sehr viel Talent.“
Das hatte sie nicht erwartet. „Danke.“
„Und du weißt sehr viel. Ich hoffe, das zweite Buch ist noch erfolgreicher als das erste. Du kannst sicher sein, dass ich ein Exemplar kaufen werde.
„Du bist nicht – schockiert?“
„Nein. Ich bin stolz auf dich. Und ich wünsche dir bei all deinen literarischen Unternehmungen nur das Allerbeste. Vor allem für dieses nächste Mal, das mir wie gesagt das Leben gerettet hat. Und was deine Identität als Brightmore angeht, kannst du sicher sein: dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.“
Ihr fiel nichts Besseres ein als: „Danke.“
„Es war mir ein Vergnügen. Nun, was ich mit dir besprechen wollte – seit ich Little Longstone verlassen habe, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken, über viele
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