Quellen Der Lust
Aber in Anbetracht des Schmerzes, den sie noch empfand, weil sie Simon verloren hatte, glaubte sie nicht, dass ihre Gebete erhört werden würden.
Die nächsten beiden Wochen vergingen keineswegs schneller als die ersten Tage, und sie waren auch nicht leichter. Doch da Baxter sie seltener mitleidig ansah, vermutete sie, dass sie eine bessere Schauspielerin wurde.
Genau einen Monat und zwei Tage, nachdem Simon gegangen war, beschloss sie, dass sie nun lange genug getrauert hatte. Der Tag brach kühl und sonnig an, und sie entschied, dass heute der Tag war, an dem sie wieder lächeln würde. Wieder lachen würde. Sie würde mit einem ausführlichen Bad in der Quelle beginnen, um den Schmerz in ihren Gelenken zu lindern, und dann einige Zeit mit Schreiben verbringen. Aber zuerst würde sie all ihre Perlen der Weisheit für die moderne Frau von heute noch einmal lesen. Hatte sie nicht geschrieben, dass die moderne Frau von heute keinem Mann nachweinen sollte? Ja, das hatte sie. Und es war an der Zeit, dass sie ihren eigenen Rat befolgte.
Nach einem köstlichen Frühstück, bestehend aus Eiern, Schinken und Baxters Blaubeerscones mit Butter und Marmelade, verabschiedete sie sich heiter von ihrem riesigen Freund und ging zur Haustür.
„Es tut gut, dich lächeln zu sehen, Jinnie“, sagte Baxter. Er wirkte so offensichtlich erleichtert, dass sie sich schämte und sich schalt, weil sie ihr Elend nicht besser vor ihm verborgen hatte.
„Es tut gut, das wieder zu tun. Ich werde mindestens eine Stunde weg sein. Warum gehst du nicht ins Dorf?“ Mit unschuldiger Miene legte sie die Pelerine an. „Ist heute nicht der Tag, an dem Miss Winslow gewöhnlich zum Metzger geht?“
Baxter errötete bis weit über seinen kahlen Kopf und runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht. Aber ich glaube, wir könnten etwas Schinken gebrauchen.“
„Ausgezeichnete Idee.“ Zufrieden, dass sie getan hatte, was sie konnte, um ihren Freund mit der Frau zusammenzubringen, von der er hoffentlich bald erkennen würde, dass er sie liebte, eilte sie raschen Schrittes zu der Quelle. „Heute werde ich glücklich sein. Heute werde ich glücklich sein“, murmelte sie. Wenn sie es oft genug sagte, würde es bestimmt bald wahr werden. Tatsächlich lächelte sie, als sie um die Ecke zur Quelle bog – und dann erstarrte sie, weil sie sah, dass die Quelle bereits besetzt war.
Simon stand neben dem sprudelnden Wasser. Sie starrte auf den offenen dunkelblauen Überrock, die Jacke aus demselben Stoff darunter, ein schneeweißes Hemd, eine ebensolche Krawatte. Seine schwarzen Stiefel glänzten, obwohl der linke einige Reihen unübersehbarer Zahnabdrücke aufwies. In einer Hand hielt er Beautys Leine – keine einfache Aufgabe, da der Hund sich in ein schwanzwedelndes, hechelndes, bellendes Energiepaket verwandelte, das um Freiheit kämpfte, kaum dass er Genevieve bemerkt hatte. In der anderen Hand hielt Simon einen riesigen Strauß blassrosa Rosen.
Ihre Blicke begegneten sich, und jedes Gefühl, jede Regung, die sie während des vergangenen Monats zu begraben versucht hatte, erwachte wieder zum Leben: die Sehnsucht, das Verlangen, die Liebe. Ehe ihr einfiel, was sie sagen könnte, ohne die Worte ich liebe dich, ich habe dich vermisst, ich leide ohne dich darin zu erwähnen, ließ er Beautys Leine los.
Der Welpe rannte auf sie zu, und lachend hockte Genevieve sich hin. Sie kraulte die pelzigen Ohren und rieb gehorsam den Bauch, als Beauty sich auf den Rücken rollte.
„Sie hat dich vermisst.“
Genevieve sah auf. Simon stand kaum sechs Fuß entfernt und sah sie mit einer Miene an, die sie nicht enträtseln konnte. Nachdem sie den Hund noch einmal liebevoll getätschelt hatte, erhob sie sich, wobei sie versuchte, das Zittern ihrer Knie zu ignorieren. „Ich habe sie auch vermisst. Ich kann kaum glauben, wie sehr sie gewachsen ist.“
„Glaube es. Sie frisst mir die Haare vom Kopf. Und unglücklicherweise auch meine Stiefel.“ Er blickte zu Beauty hinunter und sagte: „Bei Fuß.“ Sofort trottete der Hund zu ihm. „Sitz.“ Sofort hockte Beauty sich hin. „Bleib.“ Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Genevieve zu. „Bleib stellt die größte Herausforderung dar, aber sie bessert sich.“
„Ich bin beeindruckt. Du hast große Fortschritte gemacht.“
„Ja. Obwohl ich glaube, dass sie mir nur deswegen gehorcht, um sich bei meinen Stiefeln die größten Freiheiten herauszunehmen.“ Er schien Genevieve mit Blicken zu verschlingen, und sie
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