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Quellen Der Lust

Quellen Der Lust

Titel: Quellen Der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Krahn
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Madam!“ Der Junge mit der Laterne sah sich besorgt nach ihr um und blieb stehen, um auf sie zu warten. „Vater sagt, die schmeißen uns noch die Fenster ein.“
    „Diese Rabauken sollen sich bloß nicht an meine teuren Fenster wagen“, erwiderte sie und wünschte, die Drohung würde nicht ganz so leer klingen. Sie bedeutete dem Jungen weiterzugehen. „Das Verglasen hat mich ein Vermögen gekostet. Die Schulden fressen mich noch auf!“ Sie zog ihre eiskalten Hände schnell wieder unter ihren Umhang. „Wenn diese Unruhestifter die Dreistigkeit haben, sich meinen Fenstern auch nur zu nähern …“
    Dann was? Dann würde sie ihnen eine Standpauke halten? Sie ohne Essen ins Bett schicken? Womit konnte sie einer Gruppe von Männern drohen, die in ihrer Wirtschaft ein Trinkgelage abhielten, nicht mit sich reden ließen und entschlossen schienen, alles kurz und klein zu schlagen?
    Das ausladende Eller-Stapleton Inn, eine Kutschenstation für Reisende in Richtung Norden, war mehrere Meilen von der nächsten Stadt und dem nächsten Konstabler entfernt. Gewöhnlich konnten sie und ihr Personal jegliche Schwierigkeiten selbst in den Griff bekommen. Ihr tüchtiger Wirt, Mr. Carson, sorgte mithilfe seiner durchdringenden Blicke, seiner kräftigen Arme und seiner gefürchteten alten Flinte dafür, dass die Ordnung gewahrt wurde.
    Doch aus irgendeinem Grund schien diese Situation seiner ansonsten unerschütterlichen Kontrolle entglitten zu sein.
    Dann musste die Lage wirklich brenzlig sein.
    Sie holte tief Luft, bevor sie die letzten Meter durch die Pfützen im Hinterhof rannte und durch die offene Küchentür ins Haus eintrat. Einen Augenblick blieb sie am Eingang stehen, um die Situation zu erfassen, während ihr langer, völlig durchnässter Umhang auf den abgenutzten Kachelboden tropfte. Ihre Belegschaft hatte sich um den glühenden Steinofen in einer Ecke der Küche versammelt. Sie wurde mit lautem „Gott sei Dank, dass Sie endlich da sind“ begrüßt. Lediglich Carson schien bei ihrem Anblick keine Erleichterung zu verspüren.
    „Seit wann braucht ihr Hilfe, um mit ein paar Betrunkenen fertig zu werden?“, fragte sie, während sie ihre Kapuze hinunterzog und sich über ihr nasses Gesicht wischte.
    „Diese Halunken haben Nell belästigt“, sagte Carson und deutete auf die Köchin und eine der Mägde, die tröstend ihre Arme um die junge Nell Jacoby gelegt hatten. Das zierliche junge Mädchen schien leichenblass und ihre Augen waren vom Weinen gerötet. „Haben sie geküsst und angefasst – als wollten sie über sie herfallen, wenn Sie wissen, was ich meine.“
    Sein vierschrötiges, normalerweise freundliches Gesicht hatte sich dunkelrot verfärbt, und seine kräftigen Schultern waren angespannt.
    „Benehmen sich wie Barbaren, und es wird immer schlimmer. Ich hätte die ganze Bande schon längst rausgeschmissen, wenn ich nicht ein Wappen auf einer der Schnupftabakdosen der Männer gesehen hätte.“ Er verzog sein Gesicht, als habe er Zahnschmerzen. „Und mein Kleiner sagt, auch auf der Jagdkutsche, die ihre Waffen und ihr Gepäck gebracht hat, sei ein Wappen.“
    Adlige. Mariah stöhnte. Was sonst?
    „Wer sind denn diese Männer? Haben sie ihre Namen nicht genannt?“, fragte sie und hoffte gleichzeitig, dass die Unruhestifter dies verweigert hätten. Die Gäste einer Herberge waren gesetzlich dazu verpflichtet, sich auszuweisen und sich ins Gästeverzeichnis einzutragen, um eine Unterkunft zu bekommen.
    „Namen haben sie schon angegeben“, antwortete Carson mit grimmigem Blick und griff nach dem großen ledernen Reservationsbuch, das er auf der Tagesseite aufschlug. „Bloß nicht ihre eigenen.“
    „Jack Sprat und Jack B. Nimble“, las sie laut. „Union Jack. Jack A. Dandy. Jack Ketch. Jack O. Lantern.“ Sie schluckte, um den Klumpen, der in ihrer Kehle entstanden war, zu vertreiben. „Schlaue Kerle.“
    Und gefährlich noch dazu, stellte sie fest. Keine Namen angeben zu wollen, bedeutete nicht zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Es sah so aus, als wollten diese Männer heute Nacht tatsächlich ihre Fensterscheiben zertrümmern.
    Wie sie adlige Männer auf „Jagdausflügen“ hasste! Sie fielen in Landstriche ein, wo sie niemand kannte, und fühlten sich berechtigt, jedem niederen Trieb und jeder verrückten Laune nachzugeben, die ihnen in ihrem ansonsten so „vorbildlichen“ Leben versagt war. Wenn sie völlig außer Kontrolle gerieten – was oft der Fall war –, konnte ein einfacher

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