Quellen innerer Kraft
dass wir anderen zuviel Macht geben. Wir sind dann nicht mit uns selbst in Berührung, sondern lassen uns fremd bestimmen. Ein typisches Beispiel: Eine Frau erzählte mir, dass sie in der Nähe einer Kollegin einfach nicht sie selbst sein kann. Sie ist bei ihrer Arbeit geradezu fixiert auf diese andere Frau und will ihr alles recht machen. Dabei vergisst sie ihre eigene Kraft. Das Leben ist dann ermüdend und anstrengend. Sie lässt sich blockieren und ist so wenig bei sich, dass die bloße Nähe dieser anderen Frau sie sofort aus ihrer Mitte herausreißt. Und dann spürt sie sich selber nicht mehr, ihre eigene Lebendigkeit ist wie verschüttet.
In einem Gespräch mit Kursteilnehmern fragten wir, was uns von der inneren Quelle abschneiden könne. Einer meinte, Beziehungsarbeit sei immer anstrengend. Äußere Arbeit könne er gut aus der inneren Quelle erledigen, ohne erschöpft zu sein. Aber wenn er sich für andere verantwortlich fühle, dann fühle er sich nach einem Tag voller Besprechungen völlig ausgelaugt. Wenn ich verantwortlich bin, kann ich mich in der Tat nicht so leicht von den Problemen der andern distanzieren, vor allem dann, wenn die Gespräche miteinander keine Lösung gebracht, sondern das Problem nur noch verschärft haben. Aber wenn ich diese Erfahrung immer wieder mache, sollte ich mich fragen: Warum raubt mir das Gespräch mit diesem oder jenem Menschen die Energie? Was sind meine Erwartungen an das Gespräch? Welche Energie geht vom andern aus? Kann ich meine Grenzen nicht akzeptieren? Und es wäre zu überlegen, ob ich nicht die Einstellung zu meiner Verantwortlichkeit ändern sollte. Die richtige Einstellung wäre dann: Ich konnte zwar die Probleme nicht lösen. Ich kann auch nicht einfach sagen,das ist das Problem der anderen. Denn am nächsten Tag bin ich ja wieder mit diesen Menschen und ihren ungelösten Problemen zusammen. Vielmehr ist es meine Aufgabe, mich von meinen zu hohen Idealvorstellungen zu verabschieden. Ich muss ja gar nicht alle Probleme lösen. Ich darf auch mit ungelösten Problemen leben. Vielleicht ist mein Harmoniebedürfnis zu groß. Ich muss mir also innerlich erlauben, dass ich am nächsten Tag in eine Situation hineingehen werde, die noch voll von Spannungen ist. Wenn ich mir das zugestehe, wird mir die angespannte Situation auch nicht die Kraft rauben. Vielleicht werde ich über Nacht die Dinge anders sehen. Und mir wird irgendwann ein Lösungsweg einfallen. Eine gesunde Distanz zu seiner eigenen Verantwortlichkeit zu schaffen, ohne die Verantwortung zu verleugnen, ist immer eine Gratwanderung. Aber nur wenn ich mich auch von meiner Verantwortung zu distanzieren vermag, wird mir die Beziehungsarbeit nicht meine Energie zunichte machen, sondern ich werde inmitten der ungelösten Probleme mit meiner inneren Quelle in Berührung sein.
Wenn ich einen Vortrag über die inneren Quellen halte, kommen in der Regel viele Fragen, etwa von der Art: „Wie komme ich in Berührung mit meiner Quelle, wenn ich von den Sorgen um meine Kinder gequält werde, die so andere Wege gehen?“ Oder: „Wie kann ich aus der inneren Quelle leben, wenn ich von Angst heimgesucht bin oder von Depressionen niedergedrückt werde?“ Viele sind so von äußeren Problemen bedrängt, dass sie sich davon aus ihrer Mitte drängen lassen. Sie haben den Eindruck, mit aller Kraft gegen die bedrängenden Situationen angehen zu müssen. Sie brauchen dabei sehr viel Energie – wie ein Kaninchen, das auf die Schlange starrt. Aus sich könnte das Kaninchen derSchlange leicht entkommen. Es ist ja viel schneller als sie. Aber die Fixierung nimmt ihm alle eigene Kraft und lähmt jede Kreativität. So ist es mit vielen Menschen, die so sehr und so ausschließlich auf das Äußere starren, dass sie ihre innere Quelle darüber vergessen. Es ist daher ganz wichtig, bei sich zu sein. Und gerade bei äußeren Schwierigkeiten kommt es darauf an, sich selbst und die eigene Mitte zu spüren. Es gibt ganz einfache Hilfen dazu. Eine Hilfe kann schon sein, die Hand auf den Bauch zu legen und sich vorzustellen: Da in mir ist eine Quelle, da spüre ich Kraft, Kreativität, Phantasie. Ich darf mir selbst trauen. In mir ist die Lösung. Und ich kann weiter fragen: Was kommt in mir hoch, wenn ich mit mir in Berührung bin? Welche Idee steigt in mir auf ?
Natürlich kann ich die Sorge um die eigenen Kinder nicht einfach beiseite schieben. Sie wird mich begleiten. Aber es ist meine Entscheidung, wie viel Macht ich den Sorgen
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