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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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ihrer Traumatherapie sehr gerne mit der Gabe der Vorstellungskraft. In einem Vortrag über Ressourcenorientierung in der Traumatherapie zitiert sie das Gedicht von J. R. Jimenez, in dem der Dichter seine Fähigkeit, sich etwas auszudenken und zu schaffen, gegen die negative Welterfahrung setzt und damit die bedrohliche Außenwelt überwindet:
    „Was kümmert mich die dürre Sonne?
Ich schaffe die blaue Quelle in meinem Innern.
    Schnee oder Licht – was tut's?
Ich schaffe in meinem Herzen die rotglühende Schmiede.
    Was kümmert mich menschliche Liebe?
Ich schaffe der Liebe Ewigkeit in meiner Seele.“

    In diesem Gedicht wird deutlich, was es heißt: mit den eigenen inneren Quellen in Berührung zu kommen. Mit meiner Vorstellungskraft kann ich in mir eine eigene Welt schaffen. Und die kann genauso wirklich und wirksam sein wie die äußere Welt, die mich überfordert oder traurig stimmt. Es gibt Menschen, die ständig über ihre Einsamkeit klagen und die das Gelingen ihres Lebens von der Zuwendung anderer abhängig machen. Jimenez zeigt einen anderen Weg: Ich kann in meiner Seele der Liebe einen Ort der Ewigkeit schaffen. Das heißt: Ich fixiere mich nicht auf den Mangel an Liebe,an dem ich leide. Ich schaue nicht nach anderen aus, um zu fragen, ob sie mich lieben oder nicht. Ich kann mir aber vorstellen, dass in mir eine Quelle göttlicher Liebe ist, die nie versiegt, nie aufhört, die ewig ist. Diese Vorstellung befreit mich von der Lähmung durch die Fixierung auf die Nichterfahrung von Liebe.

    Luise Reddemann weist darauf hin, dass diese Fähigkeit, durch eigene Vorstellung an die eigenen Quellen zu kommen, schon sehr alt ist. So begaben sich die Schüler des griechischen Philosophen Epikur, der Wege zum Glück lehrte, „in Vorstellungsbildern auf einen Standpunkt außerhalb ihrer eigenen Existenz, um sich bewusst zu machen, wie klein ihre Sorgen und Nöte aus der Entfernung erschienen.“ Heute sieht diese „Kunst“ nicht sehr viel anders aus. Man kann sich vorstellen, auf einem Berg zu stehen oder in einem Flugzeug zu fliegen und auf das eigene Leben zu schauen. Dann relativiert sich vieles, worum wir uns manchmal übertrieben sorgen.

    Schon um die Zeit Jesu gab der römische Dichter Ovid ähnliche Ratschläge: „Freude macht es, die hohe Sternenbahn zu durchmessen, Freude, die Erde und ihren trägen Sitz zu verlassen, auf der Wolke zu reiten, sich auf die Schultern des starken Atlas zu stellen, von fern auf die überall umherirrenden Menschen herunter zu schauen.“ Solche Vorstellungsbilder – Visualisierungen nennt sie die Psychologie – bringen uns in Berührung mit inneren Quellen von Kraft, Ruhe, Gelassenheit, innerem Frieden. Die moderne Gehirnforschung hat festgestellt, dass „lebhafte Visualisierung dieselben Gehirnzellen aktiviert, wie die vorgestellte Handlung selbst“. Darauf weist Luise Reddemann hin, die am Beispiel der Turmspringerin Laura Wilkinson auch zeigt, welche Kräftedie innere Vorstellung freisetzen kann. Wilkinson brach sich bei der Vorbereitung der Olympischen Spiele 2000 drei Zehen. Sie konnte daher nicht trainieren und ins Wasser springen. Was machte sie? Sie setzte sich täglich stundenlang auf die Sprungrampe und ließ jeden ihrer Sprünge bis ins kleinste Detail vor ihrem geistigen Auge ablaufen. Sie gewann eine Goldmedaille.

    Psychotherapeuten raten uns, uns zu fragen, wo wir uns gut fühlen, und uns in solche Situationen innerlich hinein zu begeben. Dadurch kommen wir in Berührung mit dem Potential an Möglichkeiten und Energien, die in uns stecken. Anstatt nur unsere Probleme zu besprechen und uns auf unsere Leiden und Schwächen zu konzentrieren, motivieren sie uns, darauf zu achten, was wir gut können, wo wir unsere Fähigkeiten sehen, was uns leicht von der Hand geht. Sie regen uns an, mit unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten in Berührung zu kommen. Jeder von uns hat solche Stärken. Doch oft übersehen wir sie, weil wir nur auf unsere Schwächen fixiert sind.
Erinnerung
     
    Neben der Vorstellungskraft ist die Erinnerung eine wichtige Quelle, aus der wir schöpfen können. Die Griechen kennen die neun Musen, die uns in die Kunst des gesunden Lebens einweisen. Die Mutter der Musen ist die Mnemosyne, die Erinnerung. Die Griechen haben offensichtlich erfahren, dass die Erinnerung eine große Hilfe auf dem Weg zu einem gelingenden Leben ist. Sie warnen uns, von der Quelle der Lethe, des Vergessens, zu trinken, und führen uns an die Lebensquelle der

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