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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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gebe. Ich habe die Wahl: Ich kann mich mit den Sorgen quälen. Oder ich kann sie Gott übergeben. Dann wird der Blick auf Gott mich wieder mit meiner Quelle verbinden. In dem berühmten Lied von Georg Neumark „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ heißt es: „Was helfen uns die schweren Sorgen, was hilft uns unser Weh und Ach? Was hilft es, dass wir alle Morgen beseufzen unser Ungemach?“ Und als Antwort gibt der Dichter den Rat: „Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, verricht das Deine nur getreu und trau des Himmels reichen Segen, so wird er bei dir werden neu. Denn welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.“ Auch ein solches Lied kann uns helfen, Abstand zu gewinnen zu den Sorgen und wieder mit der inneren Quelle in Berührung zu kommen.

    Jesus hat uns in seinem Verhalten gezeigt, wie auf äußere bedrängende Situationen zu reagieren wäre. Als die Pharisäer ihm eine Frau brachten, die beim Ehebruch ertappt worden war, fühlte er sich in die Enge gedrängt. Er wusste, dass alles, was er sagte, gegen ihn verwendet werden konnte. Wenn er sich auf die Spielregeln der Pharisäer eingelassen hätte, hätte er verloren. Doch er tauchte ab. Er beugte sich bis auf den Boden und schrieb mit seinen Fingern in den Sand. Das war in dieser angespannten Situation für ihn der Weg, mit seiner inneren Quelle in Berührung zu kommen. Und auf einmal stand er auf und sagte den Umstehenden: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ (Joh 8,7) Gegen diesen Satz waren die Pharisäer machtlos. Einer nach dem andern ging weg. Jesus hat sich also den Spielregeln der andern entzogen. Er hat inne gehalten und im Innehalten seine eigene Mitte entdeckt. In seiner Mitte spürte er eine kreative Lösung in sich aufsteigen. In dieser Reaktion Jesu steckt für mich ein wichtiges Vorbild: Statt auf die anderen zu starren und mir den Kopf zu zerbrechen, wie ich ihre Erwartungen erfüllen oder auf ihre feindlichen Attacken sinnvoll reagieren könne, muss ich zuerst einmal innehalten und mich selbst spüren. Wenn ich in meine Mitte komme, werde ich auch Lösungen entdecken, die aus der inneren Quelle entspringen und nicht aus der Reaktion auf die andern.

Wege zu eigenen Ressourcen
     
    Die klassische Psychotherapie war problemanalytisch. Wenn heute immer mehr Therapeuten, statt sich nur auf die Probleme zu konzentrieren und sie aufzuarbeiten, den Klienten bewusst daran erinnern, wann er „gut drauf ist“, in welchenSituationen er Probleme leichter lösen kann, wann er sich gut fühlt und Bäume auszureißen vermag, dann ist das eine wichtige Wende. Der Klient soll aus seinen inneren Quellen schöpfen, um jetzt das Leben zu meistern. Natürlich werden die Verletzungen der Vergangenheit immer wieder auftauchen. Man soll sie nicht verdrängen. Aber der Therapeut muss sich auch von dem Druck befreien, alle Verletzungen des Klienten aufzuarbeiten. Oft ist es nicht nur einfacher, sondern auch effizienter, ihm zu helfen, Zugang zu seinen Ressourcen zu finden und daraus Wege selber zu entdecken, um heute sein Leben zu bewältigen. Die Zugänge dazu sind vielfältig.
Vorstellungskraft
     
    Ein wichtiger Weg, an die eigenen Ressourcen zu kommen, ist die Vorstellungskraft. Jeder hat in sich die Möglichkeit, sich bestimmte Situationen oder innere Haltungen vorzustellen. Die Gabe der Imagination entzieht uns der Herrschaft der äußeren Welt, in die wir hinein gestellt sind. Wir können in unserer Vorstellung eine eigene Welt entwerfen. Ich habe immer wieder Menschen getroffen, die gerade in einer schwierigen Kindheit ihre Phantasie benutzt haben, um sich eine eigene Welt aufzubauen. Natürlich kann eine solche Gegenwirklichkeit auch zur Flucht vor der Realität werden. Aber manchmal ist die aktuelle Realität für ein Kind so bedrängend, dass es nur diesen Weg gibt. Ein Mann erzählte mir, er habe als Kind mit sieben Jahren oft die Bettdecke über sich gezogen und mit einer Taschenlampe diese innere Welt erleuchtet. Und dann überließ er sich der eigenen Phantasie. Er dachte sich immer einen Freund aus, der mit ihm geht und mit dem er etwas Neues aufbaut. Das war für ihn damals ein wichtiger Weg, in seiner äußeren Situation nicht zuverzweifeln. Seine Phantasie hat ihn später dazu gebracht, dass er wirklich mit andern ein Geschäft aufgemacht und sich so – in einem ganz handfesten Verständnis – seine eigene Welt aufgebaut hat.

    Die Ärztin und Therapeutin Luise Reddemann arbeitet in

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