Quellen innerer Kraft
laufen, wenn es für mich stimmt. Ich kann die Bilder auch stehen lassen, um mich in sie hinein zu vertiefen. Und dann beginne ich mich mit den Figuren des Traumbildes zu unterhalten. Oder aber ich schaue das Bild einfach nur an und lasse es auf mich wirken. Indem sich das Traumbild in mich einbildet, kann es heilend auf mich einwirken.
Eine depressive Frau erzählte mir, dass sie von einem hellen Licht geträumt habe. Als sie aufwachte, ging es ihr besser. Es hat wenig Sinn, diesen Traum zu deuten. Hilfreicher ist es, wenn ich mich in das Bild des inneren Lichtes hinein meditiere. Auf diese Weise kann das Licht meine innere Dunkelheit durchdringen und vertreiben. Ich fühle mich dann besser. Ich spüre, dass die Quelle des Lichtes in mir selber ist und alles in mir erleuchten möchte.
Wem es gelingt, der kann den Traum einfach weiterträumen. Er schaut das Traumbild an und lässt dann seiner Phantasie freien Lauf. Oft geht der Traum dann in eine Richtung, die zu mehr Lebendigkeit und Klarheit führt. Manchmal zeigt sich im weiter geträumten Traum dann eine Lösung für mein momentanes Problem. So hatte eine Musikstudentin von einem Mann geträumt, der mit dem Messer auf sie zukommt. Sie war schreiend aufgewacht. In der aktiven Imagination träumte sie den Traum weiter. Da gab ihr der Mann das Messer. Auf einmal wusste sie: Ich muss mich besser abgrenzen. Ich muss meine Maßlosigkeit im Studium und im Klavierüben beschneiden. Die Imagination brachte sie in Berührung mit ihrer eigenen Fähigkeit, Grenzen zu setzen.
Verena Kast hat diese Weise der aktiven Imagination weiterentwickelt. Sie rät dazu, sich in der Imagination entweder an vergangene Situationen zu erinnern und sie auszumalen, oder aber sich etwas Künftiges vorzustellen, etwas, das einem gut tut. Man kann sich auf diese Weise vorstellen, wie man ein Problem lösen möchte, welche innere Haltung man entwickeln möchte. Man kann auch verschiedene Selbstentwürfe ausprobieren. Verena Kast nützt diese Methode therapeutisch: „In der Imagination kann man sich Räume erschließen, in denen uns wohl ist, Räume, in denen wir unsere Identität stabilisieren können, wir können Probleme darstellen und uns mit ihnen auseinandersetzen.“
Die Methode der Imagination wurde von dem amerikanischen Psychologen und Arzt Carl Simonton bei der Behandlung von Krebskranken entwickelt. Durch Visualisierung möchte er die Selbstheilungskräfte im Patienten wecken. Und für ihn ist auch die spirituelle Dimension wichtig. Er fordert seine Patienten auf, ihr Glaubenssystem zu ändern. Oft ist unsere Ansicht über das Leben schuld an unseren Problemen. Der Glaube ist für ihn eine Weise, mein Leben zu sehen und zu verstehen, die mir hilft, besser damit zurecht zu kommen. Ähnlich wie Carl Simonton arbeitet Jeanne Achterberg mit inneren Bildern. „Unsere Seele denkt in Bildern“, davon ist sie überzeugt. Wenn ich positive Bilder meditiere, wirken sie heilend auf die Seele. Sie in sich einzubilden, tut der Seele und dem Leib gut. Jeanne Achterberg lädt ihre Patienten ein, sich einen heilenden Ort vorzustellen, an dem sie sich gesund und wohl fühlen. Die Vorstellung so eines heilenden Ortes wirkt oft belebend und heilend auf Leib und Seele.
Die aktive Imagination nutzt die Vorstellungskraft des Menschen. Sie weiß: In unserer Seele liegen heilende Bilder bereit. Sie wollen nur aktiviert werden. Aber auch die Bibel bietet uns solche Bilder an, etwa das Bild des brennenden Dornbusches, das Bild des Tempels, das Bild des Weinstocks. Wenn wir solche Bilder in uns einbilden, dann zentrieren sie uns: Wir kommen mit unserer eigenen Mitte in Berührung und in ihr mit der Quelle, die in uns sprudelt. Es geht dabei nicht darum, über die biblischen Bilder nachzudenken, sondern sie in sich einzubilden und sich vorzustellen: Ich bin der brennende Dornbusch, leer und ausgebrannt, aber dennoch voller Feuer, von Gottes Herrlichkeit erfüllt. Ich bin der Tempel, weit und schön. In mir wohnt der unendliche Gott. Ich bin der Weinstock, angeschlossen an den Kreislauf der göttlichen Liebe. Die Bilder zeigen mir, wer und wie ich wirklich bin. Sie heilen meine kranken Selbstbilder, die mich oft am Leben hindern, und decken mir meine eigenen Möglichkeiten auf, die Gott in mich eingeformt hat.
Wir können die aktive Imagination auch üben, wenn es uns nicht gut geht. Damit entziehen wir uns dem Terror der äußeren Gegebenheiten. Selbst wenn wir von feindlichen Menschen umgeben
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