Quellen innerer Kraft
soziale Komponente: die Teilhabe am Entscheidungsprozeß. Ich brauche das Gefühl, dass ich mitreden kann über mein eigenes Leben, aber auch bei Entscheidungen in der Arbeit und in der Zukunftsgestaltung meiner Umwelt. Wer das Gefühl hat, die Entscheidungen über seine Zukunft sind in der Hand fremder Mächte, der verliert den Kontakt zu seinen eigenen Ressourcen.
Aaron Antonosvky unterscheidet persönliche und soziale Ressourcen. Wer aus diesen beiden Quellen schöpft, der erlebt den Stress nicht als belastend, sondern als herausfordernd.
Als personale Ressourcen zählt er auf: Seelische Gesundheit; Kohärenzgefühl; Zuversicht bzw. Optimismus; eine durchgängige hoffnungsvoll-zuversichtliche Lebenseinstellung, die die Misserfolge überdauert; die subjektive Überzeugung, wichtige Ereignisse im Leben selbst beeinflussen zu können; Selbstvertrauen als die Überzeugung, die Kompetenz zu besitzen, Problemsituationen bewältigen zu können; Herausforderung als Überzeugung, dass Veränderungen normal und Anreize zum Wachstum sind; Selbstwertgefühl, ein stabiles Selbstsystem, welches nicht vom Zusammenbruch bedroht ist; eine stabile Emotionalität; eine unbekümmerte Selbsteinschätzung im Sinne der Fähigkeit, auch bei einschneidenden Veränderungen eine unbekümmerte, ruhigeund zufriedene Grundhaltung beibehalten oder wieder aufbauen zu können. All diese Ressourcen findet der Mensch in sich vor. Aber er kann sie auch entwickeln. Manchmal sind sie durch Verletzungen und Konfliktsituationen verschüttet. Dann besteht die Aufgabe des Therapeuten oder Seelsorgers darin, den Klienten wieder an seine eigenen Ressourcen zu führen, ihm die Augen dafür zu öffnen, dass er doch die Fähigkeit in sich hat, mit Konflikten umzugehen und sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen.
Genauso wichtig sind jedoch auch die sozialen Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen. Die Gesundheitsforschung hat erkannt, dass gute zwischenmenschliche Beziehungen wesentlich zur Gesundheit und zu einem gelingenden Leben beitragen. Sie spricht von einem „sozialen Immunsystem“, das dem Menschen hilft, auf krankmachende Keime von außen abweisend zu reagieren. Das Gefühl, wertvoller Teil einer Gemeinschaft zu sein, ist für die Gesundheit und Lebenserwartung eines Menschen von großer Bedeutung. Zu den sozialen Ressourcen gehören nach Jacobs: „Günstige allgemeine engere Lebensbedingungen in Familie oder Gemeinschaft (Achtung, Wärme, Rücksichtnahme, wechselseitige Unterstützung); günstige Arbeitsbedingungen (gutes Arbeitsklima, angemessener Entscheidungsspielraum, Gelegenheit zur Entfaltung der eigenen Potentiale und Wünsche); intakte nachbarschaftliche Beziehungen; günstige materielle Lebensbedingungen (Wohnung, Einkommen); förderliche gesellschaftliche Institutionen (Gesundheit, Erziehung, soziale Sicherheit, Kultur usw.); sichere politische Rahmenbedingungen.“
Die sozialen Ressourcen sind in vielen Fällen oft einfach vorhanden. Dann sollen wir dankbar dafür sein. Aber oft müssen wir sie erst auch schaffen oder zumindest dazu beitragen, dass sie stärker werden. Das gilt etwa für die Organisation des Arbeitsplatzes. Da liegt es an der Führung, ein Klima zu schaffen, in dem Menschen gerne arbeiten, und die Arbeit so zu organisieren, dass alle genügend mitreden können und zugleich Klarheit und Durchschaubarkeit des Arbeitsablaufes wahrnehmen. Soziale Ressourcen zu fördern ist Aufgabe der Firmen, der Pfarreien, der Dorfgemeinschaft oder der Nachbarschaftshilfe. Doch zugleich liegt es auch am einzelnen, die sozialen Ressourcen zu nutzen, die ihm zur Verfügung stehen, und sie zu pflegen, damit sie stärker werden.
Das Modell der Salutogenese verweist uns auf eine wesentliche Einsicht: Die Suche nach den inneren Quellen ist ein entscheidender Schritt zur Gesundheit des Menschen. Wir sollen uns nicht nur auf die Verletzungen unserer Lebensgeschichte konzentrieren, sondern Ausschau halten, welche Ressourcen uns hier und jetzt zur Verfügung stehen. Diese Quellen sind uns teilweise vorgegeben durch die Erfahrungen unserer Kindheit. Wir können aber auch zu ihnen vordringen, wenn wir uns geeignete Rahmenbedingungen schaffen, wie die Teilhabe an wichtigen Entscheidungsprozessen oder wie ein ausgeglichenes Verhältnis von Überforderung und Unterforderung.
Mich haben die Gedanken, die Antonovsky in seinem Konzept der Salutogenese entwickelt hat, sofort angesprochen. Ich spürte, dass hier ein guter Weg ist, mit
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