Quellen innerer Kraft
etwas, das größer ist als ich. Das göttliche Kind ist eine Quelle von Kreativität und Phantasie, von Lebendigkeit und Vertrauen, von Kraft und Energie. Ich komme aber mit dem göttlichen Kind nur in Berührung, wenn ich auch das verletzte Kind in mir zulasse. Für C. G. Jung ist das göttliche Kind ein archetypisches Bild, das die Kraft in sich hat, unser Leben zu erneuern. Wenn es in uns auftaucht, löst es oft einen Energieschub aus und lässt die Quelle der Kreativität in uns strömen. Als Jung in einer persönlichen Krise war und sein Leben stagnierte, tauchte auf einmal die Erinnerung aus der Kindheit auf: „Damals hatte ich leidenschaftlich mit Bausteinen gespielt … Zu meinem Erstaunen tauchte diese Erinnerung auf, begleitet von einer gewissen Emotion. Aha, sagte ich mir, hier ist Leben. Derkleine Junge ist noch da und besitzt ein schöpferisches Leben, das mir fehlt.“ Die Erinnerung an seine kreativen Spiele in der Kindheit half Jung, die innere Krise zu überwinden und sich wieder lebendig und schöpferisch zu erfahren. Die Erfahrung, die er gemacht hat, können wir alle auch machen. Wenn wir uns vertrocknet fühlen, sollten wir uns an das göttliche Kind in uns erinnern, wie es in der Kindheit gespielt hat, welche Phantasie und Kreativität in ihm steckt. Die Beziehung zum göttlichen Kind in mir wird in mir neue Lebendigkeit und Fruchtbarkeit bewirken.
3. Quelle des Heiligen Geistes
W ir dürfen dankbar sein für die Quellen, die wir in uns vorfinden. Sie sind ein Geschenk Gottes seit unserer Geburt. Es ist nicht unser Verdienst, wenn wir diese oder jene Veranlagung haben. Andere Quellen verdanken wir unseren Eltern, unserer Erziehung oder dem Einfluss von Freunden. Aber wir müssen durch diese menschlichen Quellen noch tiefer hindurch bohren, bis wir auf eine Wirklichkeit stoßen, die ich bildhaft mit dem Grundwasser vergleichen möchte. Die menschlichen Quellen sind belebend und wichtig, aber auch begrenzt. Da sehnen wir uns nach der unerschöpflichen Quelle in uns, die nicht aus uns selbst stammt, sondern uns von Gott geschenkt ist. Diese Quelle des Heiligen Geistes strömt in jedem Menschen. Aber oft genug sind wir davon abgeschnitten oder wir beachten sie nicht. Spiritualität heißt für mich, aus der Quelle des Heiligen Geistes zu leben. Spiritualität kommt ja von „spiritus = Geist“. Und Spiritualität meint ein Leben aus dem Heiligen Geist. Aber was heißt das konkret? Wie können wir aus der Quelle des Heiligen Geistes leben? Wie erfahren wir diese innere Quelle? Und woran erkenne ich, dass ich aus der Quelle des Heiligen Geistes lebe?
Eine Antwort auf diese Fragen möchte ich aus der biblischen und aus der philosophischen Tradition heraus suchen. Dabei geht es mir immer um die Frage, wie sich die Quelle des Heiligen Geistes konkret in unserem Leben zeigt und wie wir daraus leben können. Was wir Quelle des Heiligen Geistesnennen, ist ja nichts Abstraktes. Es wird anschaulich und wirksam. Es zeigt sich konkret in Tugenden und Haltungen, die die Kräfte in unserer Seele aktivieren und freilegen. Wer aus dieser Quelle lebt, der darf erleben, dass sein Leben gelingt und einen neuen Geschmack erhält: das Erleben von Weite und Freiheit, von Lebendigkeit und Liebe. Man kann an der Ausstrahlung eines Menschen wahrnehmen, aus welcher Quelle er lebt und arbeitet. Machthunger, Geltungssucht, Gier oder Eitelkeit lassen sich – etwa bei einem Vortrag oder einem öffentlichen Auftritt – oft regelrecht spüren. Man merkt in der Regel, ob jemand sich selbst darstellen und die Aufmerksamkeit auf sich selbst ziehen möchte, oder aber ob er durchlässig ist für etwas Größeres. Man hört schon an der Stimme, man kann es an Gestik und Wortwahl erkennen, ob jemand nur sich selber produziert. Wenn jemand aus der Quelle des Heiligen Geistes heraus spricht, fühlen sich auch die Zuhörer wohl, sie haben dann das Gefühl, angenommen und in einen größeren Zusammenhang aufgenommen zu sein.
Wir merken das aber nicht nur an anderen, sondern können es an uns selber wahrnehmen. Wer aus der Quelle des Heiligen Geistes heraus schöpft, hat gleichsam unerschöpfliche Energie in sich. Seine Arbeit strahlt etwas Leichtes aus. Man spürt ihr die Anstrengung nicht an. Immer wenn wir erschöpft oder unzufrieden mit uns selbst sind, ist es ein Zeichen, dass wir nicht aus der Quelle des Heiligen Geistes geschöpft haben. Wenn wir ehrlich uns selbst gegenüber sind, werden wir merken: Es ging uns dann um
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