Quellen innerer Kraft
Klugheit erkennt die Mittel, die notwendig sind, damit das Leben gelingt. Sie ist kreativ. Sie erkennt, was gerade jetzt nötig ist, um innerlich wie äußerlich weiter zu kommen.Der hl. Thomas von Aquin verbindet die Klugheit (prudentia) mit der Voraussicht (providentia). Und Pieper beschreibt sie so: Der Kluge schaut über die momentane Situation hinaus und schätzt ab, „ob ein bestimmtes Tun wirklich Weg sein wird zur Verwirklichung des Zieles“. Das deutsche Wort „klug“ meint eigentlich: fein, zart, zierlich, gebildet, geistig gewandt, mutig, beherzt. Der Kluge denkt nicht allein mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen. Er ergreift beherzt die Gelegenheit, die sich ihm bietet. Und er sieht die feinen Unterschiede, die manchem groben Geist verborgen bleiben.
Die Klugheit bewahrt uns zudem vor unnötigen Fehlern. Jesus lobt den klugen Mann, der sein Haus auf den Felsen gebaut hat. Der kluge Mann weiß, worauf es ankommt. Er handelt überlegt. Er baut sein Haus auf den stabilsten Grund. So können ihm die Stürme des Lebens nichts anhaben. Jesus lobt die Klugheit des ungerechten Verwalters, der seine Situation richtig einschätzt und das tut, was ihm noch möglich ist. Und er stellt die klugen Jungfrauen den törichten gegenüber, die einfach nur in den Tag hinein leben. Die klugen sehen sich vor. Sie sorgen dafür, dass sie genügend Öl bei sich haben, auch wenn sie länger warten müssen. Die drei Beispiele zeigen, wie die Klugheit uns hilft, mit dem Leben besser zurecht zu kommen. Die törichten Jungfrauen müssen viel Energie verschwenden – und mitten in der Nacht ins Dorf zurück, um Öl zu kaufen. Und dann kommen sie zu spät. Der törichte Mann baut sein Haus auf Sand. Er muss genauso viel Kraft aufwenden für seinen Hausbau wie der Kluge. Aber sobald Stürme kommen, stürzt sein Haus zusammen. Und der ganze Kraftaufwand war umsonst. Der Kluge geht sorgfältig mit der Energie um, die ihm Gott zur Verfügung gestellt hat. Da er sie nicht verschwendet, hat erimmer genügend Vorrat, aus dem er schöpfen kann. Seine Quelle versiegt nicht, weil er sie richtig einschätzt.
Sinn und Orientierung
Viele erfahren das Leben als anstrengend und mühevoll, weil sie keinen Sinn in ihrem Leben erkennen. Sie wissen nicht, was sie eigentlich wollen. Viktor E. Frankl, ein jüdischer Psychologe, hat die geistige Dimension als Faktor von Gesundheit und Krankheit erkannt. Er sieht in der Erfahrung von Sinnlosigkeit heute die häufigste Ursache von Neurosen und spricht in diesem Zusammenhang von noogener Neurose. Frankl hat im KZ die Bedrohung des Lebenssinnes selber hautnah und auf schreckliche Weise erlebt. Er stand die Sinnlosigkeit des KZs durch, weil er für sich selbst einen Sinn für sein Leben entdeckt hatte.
Immer mehr Menschen fragen sich heute, in einer wesentlich weniger extremen Situation, warum sie überhaupt leben und welchen Sinn ihr Leben haben könnte. Die Sinnlosigkeit raubt ihnen alle Energie. Sie lässt ihre inneren Quellen grundlos versiegen.
Ich erlebe in Gesprächen immer wieder Menschen, die darüber jammern, dass ihnen so vieles misslingt. Sie probieren manches aus. Aber weil sie kein Ziel haben, können sie auch nicht konsequent auf dem Weg bleiben, den sie beschritten haben. Sie wissen ja nicht, ob er überhaupt weiter führt. Sie verfolgen kurzfristige Ziele, sei es Berufsausbildung, Studium oder eine Partnerschaft. Aber dann wissen sie nicht, ob sie den Beruf überhaupt möchten und was sie mit dem Studium anfangen können. Sie möchten heiraten, aber zugleichzweifeln sie daran, ob sie überhaupt mit dem Partner oder der Partnerin zusammenpassen. Immer mehr Menschen leiden heute an einer solchen Orientierungslosigkeit. Sie sind auf einem Weg. Aber sie wissen gar nicht, ob sie ihn wirklich weiter gehen möchten. Sobald sich Hindernisse in den Weg stellen, verlieren sie ihre Energie. Sie haben gar keine Motivation weiter zu kämpfen. Sie fragen sich, ob es sich überhaupt lohnt, zu leben und sich anzustrengen.
Manche sehen keinen Sinn in ihrem Leben, weil sie zu hohe Erwartungen an sich selber haben. Sie spüren die Ohnmacht, angesichts der Weltsituation die Verhältnisse zu verbessern. Sie haben als Einzelne keine Chance, den Frieden in der Welt zu schaffen. Sie sind fixiert auf die Probleme der Welt und meinen, es sei sinnlos, dagegen anzugehen. So übersehen sie den Sinn, den sie ihrem Leben geben könnten. Meinen Sinn finde ich nicht dadurch, dass ich die ganze Welt
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