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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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außen fließen und wirkenkönnen. Thomas von Aquin hat diese vier Tugenden übernommen und in sein christliches Weltbild eingebaut. Sie sind schon für die griechische Philosophie der Weg, den Reichtum der Seele zu entfalten und den Menschen zu seinem wahren Selbst zu führen. Man könnte sie auch als Quellen verstehen, aus denen man schöpfen muss, damit das Leben gelingt.

    Die Gerechtigkeit hat nach Platon der Mensch erworben, der das rechte Gleichgewicht zwischen den drei Seelenteilen (nous = Geist, thymos = Gemüt, epithymia = begehrlicher Bereich) hergestellt hat. Für Platon ist Gerechtigkeit zuerst eine Eigenschaft der Seele. Der Mensch ist gerecht, der seinem Wesen gerecht wird, der allem, was in ihm ist, das richtige Augenmerk widmet. Aristoteles, der Schüler Platons, sieht Gerechtigkeit als soziale Tugend. Gerecht ist der Mensch, der unparteiisch zwischen zwei rivalisierenden Gruppen vermittelt, der ohne die eigenen Bedürfnisse hinein zu mischen, richtig urteilt und jedem das Rechte zuteilt. Ein wichtiger Grundsatz des römischen Verständnisses von Gerechtigkeit ist das „suum cuique = jedem das Seine“. Gerecht ist, wer den anderen als anderen gelten lässt, ihn in seinem Anderssein bestätigt und ihm zu dem verhilft, was ihm zusteht. Im Mittelalter hat man die Gerechtigkeit immer als eine Frau dargestellt, die eine Waage hält. Sie hat ein Schwert im Arm und eine Binde um die Augen. Sie lässt sich nicht blenden, sondern trifft ihre Entscheidungen ohne Ansehen der Person. Sie wird sowohl der Sache als auch dem Menschen in seiner Eigenheit gerecht.
    Der gerechte Mensch schafft um sich Klarheit. Er hat es nicht nötig, zu taktieren und sich durch die verschiedensten Meinungen durch zu lavieren. Diese innere Klarheit spart Energie. Wir erleben gerechte Menschen als Segen für eineGemeinschaft. Sie haben einen Sinn für das Richtige. Sie sind unabhängig und frei. Sie strahlen etwas aus, das uns gut tut. Wir können uns an ihnen orientieren. Der gerechte Mensch wird den Menschen und der Wirklichkeit gerecht. Er lebt der Wirklichkeit entsprechend. Er verbraucht seine Energie nicht damit, gegen die Realität anzukämpfen. Er ordnet alles so, wie es „stimmt“ und stimmig ist. Wer jedem das Seine zuteilt, ist frei von den Intrigenkämpfen, die in vielen Gruppen und Staaten soviel Energie verschlingen. Wer sich der Tugend der Gerechtigkeit verschreibt, der erlebt sie als klare Richtschnur für sein Handeln und als klare Quelle, die sein Tun befruchtet.

    Die Tapferkeit ist ursprünglich die Tugend der Soldaten. Doch die griechischen Philosophen haben diese Tugend auch für sich beansprucht. Tapfer ist der Mensch, der zu sich steht und das, was er als richtig erkannt hat, konsequent verfolgt. Der Tapfere lässt sich von Konflikten nicht umstimmen. Er kämpft für das, was ihm als richtig erscheint. Das deutsche Wort „tapfer“ hat verschiedene Bedeutungen: fest, schwer, gewichtig, streitbar, kühn, herzhaft. Der Tapfere lässt sich nicht so leicht umwerfen. Er hat einen festen Stand und zeigt Stehvermögen. Er bringt sich ein in die Auseinandersetzungen mit anderen. Er wirft sein Gewicht in die Waage. Der Tapfere ist bereit zu streiten, aber er ist kein „Streithammel“. Er streitet, damit sich etwas klärt. Er kämpft für das Leben. Der Tapfere ist kühn. Kühn kommt eigentlich von „wissen, weise“. Der Tapfere kämpft nicht einfach drauflos. Er macht sich erst wissend und weise, bevor er bereit ist, für etwas zu streiten. Und er ist herzhaft. Er kämpft mit seinem Herzen. Er lässt sich nicht von abstrakten Prinzipien leiten, sondern von seinem lebendigen und warmen Herzen.
    Tapferkeit zeigt sich auch in der Geduld, mit der man Schmerz und Leid erträgt. Tapferkeit hat, wie gesagt, mit Standhalten zu tun. Man weicht dem Leben mit seinen Anforderungen nicht aus. Man weicht dem nicht aus, was einem selber widerfährt. Für den hl. Benedikt war das insbesondere eine wichtige Tugend des Mönches: Der Mönch flieht nicht vor der Auseinandersetzung mit den Dämonen, mit den Leidenschaften und Emotionen, die ihn überfallen. Er bleibt bei sich und hält stand. Thomas von Aquin nennt die Geduld eine wichtige Gefährtin der Tapferkeit. Sie besteht – in der Formulierung Josef Piepers – darin, „sich durch die Verwundungen, die aus der Verwirklichung des Guten erwachsen, nicht die Heiterkeit und Klarsichtigkeit der Seele rauben lassen“. Und für Hildegard von Bingen ist die Geduld „die Säule,

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