Quellen innerer Kraft
verändere. Der erste Sinn meines Lebens besteht darin, dass ich das einmalige Leben, das Gott mir geschenkt hat, auch lebe, dass ich meine persönliche Lebensspur in diese Welt eingrabe. Jeder von uns steht morgens auf. Er begegnet Menschen, spricht mit ihnen, schaut sie an. Jeder hat mit seinem Gesicht eine Ausstrahlung. Jeder verbreitet mit seiner Stimme eine Stimmung und erzeugt mit seinen Worten um sich herum eine Atmosphäre. Was wollen wir in unsere Umgebung hinein ausstrahlen? Darüber sollten wir uns zuerst einmal Gedanken machen. Denn das ist unser Beitrag, diese Welt menschlicher zu gestalten. Es geht nicht in erster Linie um Leistung. Es geht um Stimmigkeit. Jeder Mensch ist einmalig. Der Sinn meines Lebens besteht nicht in erster Linie darin, Großes zu Wege zu bringen, sondern das eigene Leben so authentisch zu leben, dass das, was Gott mir geschenkt hat,für diese Welt fruchtbar wird. Wenn ich den Sinn meines eigenen Lebens erkannt habe, werde ich auch genügend Kraft haben, etwas für diese Welt zu tun, was sie menschlicher macht. Um zu erkennen, was mein Auftrag in dieser Welt ist, muss ich also zunächst und vor allem ehrlich auf meine Lebensgeschichte und auf meine Anlagen schauen. Ich muss mein Maß finden und meine Berufung erkennen. Das kann ich am besten, wenn ich in mich hinein horche und beobachte: Wo fühle ich mich lebendiger? Wo strömt in mir Energie? Wo wird mein Herz weit? Bei welcher Alternative entstehen in mir Frieden und Freude? Jeder Mensch hat eine besondere Berufung, sein Leben zu leben und dadurch einen Beitrag zu leisten, dass diese Welt immer mehr dem ursprünglichen Schöpfungswillen Gottes entspricht.
Ich erlebe viele Menschen, die die verschiedenen Möglichkeiten aufzählen, die sie eigentlich verwirklichen könnten. Aber bei jeder Möglichkeit gibt es für sie Hindernisse und Fragen. Sie wissen nicht, ob es sich lohnt, sich anzustrengen, um das Studium zu schaffen. Sie wissen nicht, ob sie sich an diese konkrete Frau oder diesen bestimmten Mann wirklich binden oder nicht doch lieber auf die Traumfrau oder den Traummann warten sollen. Diese Unsicherheit lähmt sie. Die Folge: Das Leben insgesamt ist für sie zu anstrengend. Doch wenn man es von außen her betrachtet, müsste das nicht so sein: Sie leben in geordneten Verhältnissen. Sie haben genügend Geld. Sie sind gesund. Doch die Sinnlosigkeit raubt ihnen jeden Lebenswillen. Sie können sich für nichts entscheiden und für nichts engagieren. Ihre Zweifel überschatten alles. Nichts gibt ihnen Sinn und Richtung. So können sie ihr Leben nicht ausrichten. Ihre Energie verpufft richtungslos und ziellos.
Für die pessimistische Psychologie eines Sigmund Freud gibt es keinen Sinn des Lebens: „Den Sinn des Lebens gibt es nicht. Wer nach dem Sinn des Lebens fragt, ist krank!“ Dagegen setzt die Logotherapie Viktor Frankls auf den Sinn des Lebens als die gesundmachende Kraft. Allerdings gibt Frankl keine allgemein gültige Antwort wie etwa die christliche Tradition, für die der Sinn des Lebens die Erkenntnis Gottes, bzw. die Vergöttlichung des Menschen ist. Alfried Längle, ein Schüler Viktor Frankls, versteht unter Sinn „eine besondere Art der Gestaltung der Situation“. Sinnlosigkeit – davon ist Frankl überzeugt – macht den Menschen krank. Daher muss der Mensch bei allem, was er tut, immer auch nach dem Sinn fragen. Und wenn er mit Leid und Krankheit konfrontiert wird, stellt er umso bohrender die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Frankl beschreibt drei „Hauptstraßen zum Sinn“: die Erlebniswerte, schöpferische Werte und Einstellungswerte. Wenn ich etwas intensiv erlebe, etwa die Schönheit einer Blume oder die Harmonie einer mozartschen Symphonie, dann ist dieses Erlebnis voll von Sinn, auch wenn ich dabei nicht an den Sinn denke. Wer mit allen Sinnen lebt, der erlebt das Leben auch als sinnvoll. Zum Sinn gehört es aber auch, dass der Mensch sein Leben selbst in die Hand nimmt und es gestaltet, dass er schöpferisch damit umgeht. Dabei geht es nicht um große Werke, die jemand vorweisen kann. Viktor Frankl meint genau das, wenn er sagt: „Der Roman, den einer gelebt hat, ist noch immer eine unvergleichlich größere schöpferische Leistung als der, den jemand geschrieben hat.“ Die Bibel drückt den schöpferischen Wert des Menschen mit dem Bild der Sendung aus. Der Mensch ist von Gott in die Welt gesandt, um diese Welt zu gestalten, zu hegen und zu pflegen. Sinnvoll wird das Leben erst, wenn der
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