Quellen innerer Kraft
freilich den Heiligen Geist, damit ich die Worte der Bibel so verstehe, dass sie zu einem Licht für mein Leben werden. Jesus hat uns den Heiligen Geist verheißen, der uns alles lehren wird, was er uns gesagt hat. (Joh 14,26) Es ist der Geist der Wahrheit, der uns in die ganze Wahrheit führt. (Joh 16,13) Durch den Heiligen Geist verstehe ich das Wort Jesu in seiner ganzen Fülle. Da gehen mir die Augen auf und ich blicke auf einmal durch. Oft fällt mir ein Wort aus der Bibel ein, wenn ich im Gespräch mit einem Hilfesuchenden nicht weiter komme. Es bringt Licht in das Dunkel und zeigt einen neuen Weg, auf den ich durch eigenes Nachdenken nicht gekommen wäre. Aber es braucht eben auch die Übung, mit dem Wort der Schrift zu leben, es immer wieder zu lesen und zu meditieren, damit es tief in mich hinein fallen und mich von innen her prägen und zum Leben inspirieren kann.
Meditation und Gebet
In der geistlichen Tradition wurde die Meditation immer als hilfreicher Weg gesehen, in die eigene Mitte zu finden und dort die Quelle des Heiligen Geistes zu entdecken. Der Atem wurde als Weg in die eigene Tiefe gesehen. In der christlichen Tradition hat man den Atem mit einem Wort aus der Bibel oder aber mit dem Jesusgebet verbunden: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner!“ Wer dieses Wort im Rhythmus seines Atems wiederholt, der kann seinen Atem wie einen Bohrer erleben, der die Betonschicht durchdringt, die ihn von der inneren Quelle trennt. Manchmal bleibt der Bohrer freilich im Beton hängen. Dann ist die Meditation nur oberflächlich. Aber wenn der Atem gemeinsam mit dem Wort in die innere Tiefe führt, erahnt man diese Quelle, die nie versiegt. Im Ausatmen kommt man in Berührung mit der inneren Quelle. Und im Einatmen strömt das erfrischende und zugleich klärende und reinigende Wasser aus der Tiefe in Leib und Seele ein.
Die Tradition des Mönchtums kennt zwei Weisen der Meditation: die so genannte ruminatio und die lectio divina. In der Ruminatio (=Wiederkäuen) verbindet man den Atem mit einem Wort und konzentriert sich auf den Atem, damit er einen immer tiefer in den Grund seiner Seele führt, in dem die innere Quelle sprudelt. Das Wort, das mit jedem Atemzug leise gesprochen wird, bindet den Geist, damit er nicht abschweift. Und es schließt die Türe auf zum inneren Raum der Stille, in dem Gott selbst in uns wohnt. In diesem inneren Ort des wortlosen Schweigens werden wir gewahr, dass in uns eine Quelle strömt, die nie versiegt, weil sie göttlich ist. Wir können noch soviel geben – solange wir in derMeditation mit dieser inneren Quelle in Berührung sind, werden wir nicht so leicht erschöpft.
In der lectio divina (= göttliche Lesung, Schriftlesung) lesen wir Heilige Schrift so, dass die Worte immer tiefer in uns hineinfallen und unser Herz berühren. Meditation heißt bei dieser Methode, dass wir die Worte der Schrift kosten und schmecken, damit sie einen süßen Geschmack in unserem Innern erzeugen. Dann verstehen wir, was Jesus von der Wirkung seiner Worte gesagt hat: „Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe.“ (Joh 15,3) Die Worte der Bibel schaffen in uns Klarheit. Sie bringen uns in Berührung mit dem Reinen und Lauteren in uns. Sie bewirken einen tiefen inneren Frieden. Jesu Worte haben immer auch Freude in den Herzen der Zuhörer erzeugt: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.“ (Joh 15,11) Die Worte Jesu führen uns zu der Freude, die auf dem Grund unseres Herzens verborgen liegt. Und sie füllen unsere eigene Freude mit seiner Freude auf, die unerschöpflich ist, weil sie göttlichen Ursprungs ist. Das Ziel der lectio divina ist die contemplatio. Damit meinen die Mönche einen Zustand des reinen Schweigens. Ich denke nicht mehr über die Worte der Schrift nach. Vielmehr haben mich die Worte in die Stille geführt. Dort berühre ich Gott und werde eins mit ihm. Dort strömt die göttliche Quelle der Liebe. Dort bin ich einverstanden mit meinem Leben, erfüllt von der Liebe, die im Wort Gottes in mich eingedrungen ist und nun in mir eine Quelle der Liebe hervorsprudeln lässt.
Teresa von Avila sieht auch in den einfachen Gebeten, die wir tagsüber sprechen, einen Weg zu dieser innersten Mitte unseres Lebens. Die täglichen Gebete des Vaterunsers, desAve-Maria oder des Rosenkranzes sind nicht nur äußere Gebete. Wer richtig betet, der betet ja immer im und aus dem Heiligen
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