Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Gründung des deutschen Geheimdienstes, des BND, und mein Vater sollte Auskunft geben. Ich verstand das nicht. Er war Geschäftsmann, kein Agent. Ich versuchte, mit dem Historiker in Deutschland Kontakt aufzunehmen. Aber der lag mit einem Krebsleiden im Krankenhaus und verstarb wenig später. Ich ließ die Sache ruhen, trauerte um meine Familie und war auch viel zu sehr damit beschäftigt, die Firmen meines Vaters zu übernehmen.« Hannah atmete tief durch. »Jetzt wüsste ich gern mehr. Wenn es stimmt, was du sagst, dann hat mein Großvater den Krieg sehr wohl überlebt und war danach noch hier. Aber warum wusste meine Familie davon nichts? Und warum trug der Tote eine Wehrmachtsuniform? Mir ist klar, dass du mir bei meinen privaten Fragen nicht helfen kannst. Aber genau wie du halte ich diesen Leichenfund für obskur. Und die Überführung des Leichnams soll etwas zu schnell über die Bühne gehen.«
»Aber warum hast du mich heute Nachmittag abblitzen lassen und wolltest unbedingt nach München abreisen, als ich dir sagte, dass mit der Leiche etwas nicht stimmt?«
Hannah zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht … Mir war das alles plötzlich zu viel. Ich habe einfach Angst bekommen. Und ja auch nicht zu Unrecht, wie diese Drohung zeigt.«
Quercher musste es Hannah jetzt sagen. »Auch ich bin bedroht worden. Vorhin, als ich mit Arzu in der Kneipe meiner Schwester war. Ich konnte den Mann nicht sehen. Es war … also, es war auf der Toilette. Auf jeden Fall hat man mir unmissverständlich klargemacht, dass ich hier verschwinden soll.« Bevor Hannah etwas sagen konnte, schob er nach: »Das ist noch nicht alles. Der Mann, der die Leiche deines Großvaters gefunden hat, Andi Birmoser, ist letzte Nacht tot in seiner Werkstatt gefunden worden. Die Kollegen gehen von einem Unfall aus.«
Er hatte befürchtet, dass sie panisch werden würde. Aber sie blieb ruhig und starrte in die Nacht.
»Was meinst du, was sollen wir tun?«, fragte sie tonlos.
»Du könntest deine Geschichte ganz offiziell meinen Kollegen von der Kripo erzählen«, erwiderte Quercher betont sachlich.
»Ich bin nicht naiv. Schon damals hatte der deutsche Staat wenig Interesse an der Aufklärung.« Sie machte eine Pause und blickte Quercher kurz an. »Ich weiß, was Panik ist. Du musst mir deine Geschichte nicht erzählen. Aber wenn wir das hier durchziehen wollen, müssen wir auf der Hut sein und unsere Stärken und Schwächen sehr genau kennen. Unsere Gegner sind Profis.«
Quercher war überrascht, wie nüchtern Hannah plötzlich die Lage analysierte. Sie schien kaum beeindruckt von dem, was er ihr gerade erzählt hatte. Er suchte nach einer CD im Seitenfach und fand etwas von Eric Satie. Kurze Zeit später klimperte beruhigende Pianomusik im Auto.
Quercher schloss die Augen, als er murmelte: »Ja, die Uniform …«
»Jemand will euch glauben machen, dass mein Großvater kurz vor oder nach der Befreiung gestorben ist. Ich weiß nur noch nicht, warum«, fiel ihm Hannah ins Wort.
Der Schnee legte sich wie ein Tuch über das Auto. Obwohl die Standheizung lief, waren in wenigen Minuten alle Fenster mit dichtem Schnee bedeckt. Quercher drehte zu Hannahs Verwunderung einen Teil der Vorderbank nach hinten.
»Ich kann so besser nachdenken. Und mir tut mein Rücken weh. Man sollte mit über vierzig sein Kinderbett meiden«, erklärte er ihr, als er ihre erstaunte Miene sah.
Sie lächelte.
Er bog seinen Rücken durch und holte aus seiner Hosentasche das mittlerweile zerknitterte Bild aus dem Schützen-stüberl hervor. »Ist da dein Großvater zu sehen?«
Sie knipste die Innenbeleuchtung des Autos an und zog eine Lesebrille aus ihrer Handtasche, was Quercher still amüsierte.
»Könnte sein. Ich bin mir nicht sicher.«
Quercher nickte müde. »Wäre auch zu einfach gewesen.«
»Warum?«
Querchers Handy klingelte. Er atmete tief ein.
Es war Arzu. »Euer Sarg wird jetzt zum Flughafen gebracht. Man sucht dich und deine Tusse aus den USA. Was soll ich sagen?«
Quercher blies die Luft aus, blickte zu Hannah. »Sag ihnen, dass ich noch Privates zu erledigen habe, Frau Kürten bleibt noch eine Nacht in Rottach. Der Bestatter soll den Sarg am Flughafen an der vorgegebenen Stelle im Frachtbereich abliefern. Wir …«
Hannah nahm ihm das Handy aus der Hand. »Frau Nishali. – Ja, ich bin’s. Sagen Sie dem Bestatter und Ihren Kollegen, dass ich wegen der schlechten Straßenverhältnisse noch eine Nacht am Tegernsee bleibe und morgen nach München
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