Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Fulltime-Job, da müsse man noch einmal richtig durchstarten, und Berlin sei ja auch eine ganz neue Spielwiese. FBI und CIA und so. Nicht mehr Turbanträger in Asylheimen bespitzeln. Das ganz große Rad. Picker sei sein Mann. Wie gesagt, Füße stillhalten. Kein Skandal und alles würde laufen. Dann hatte der designierte Innenminister aufgelegt.
Pickers Hände zitterten. Er klickte sich im Internet auf die Seite des FBI, suchte nach der Liste der meistgesuchten Verbrecher und wechselte dann auf die Immobilienseite einer Berliner Zeitung. Ob Marille, seine Frau, auch von Berlin begeistert sein würde? Er würde heute Abend mit ihr sprechen müssen.
Das Telefon klingelte.
»Herr Straßberger von der Polizeiinspektion Bad Wiessee für Sie, Herr Picker.«
»Stellen Sie durch – äh, danke, Frau Adamietz.«
Das Gespräch dauerte fünf Minuten. Und es dauerte vier Sekunden, bis er die Tastatur seines Computers zerstört hatte. Quercher, immer wieder Quercher! Seit der Polizeischule quälte dieser Typ ihn, war wie ein Herpesvirus, trat immer dann in Erscheinung, wenn man es gar nicht brauchte. Der Idiot ermittelte, statt, wie ihm geheißen, die Sache diskret und schnell über die Bühne zu bringen. Dabei war die Weisung aus der Staatskanzlei eindeutig. Jetzt war Schluss damit. Er hatte diesen Typen mit Rücksicht auf Marille, die Quercher wohl immer noch liebte, in Ruhe gelassen. Aber er hatte still Informationen gesammelt. Wie es seine Art war. Irgendwann würde man sie benötigen. Und das war jetzt.
Er stand auf, wischte die Trümmer der Tastatur vom Tisch in den Mülleimer, ging zu seinem Tresor und entnahm die Akte mit den Kopien über Querchers Kaufvertrag des arabischen Restaurants. Noch in dieser Woche würden die Kollegen den Schuppen hochgehen lassen und dann käme alles ans Licht. Maximilian Quercher würde ihm nicht seinen Weg von Waldperlach nach Berlin versperren.
»Frau Adamietz, geben Sie mir Qualtinger, den Chef des Rauschgiftdezernats, bitte.«
Kapitel 16
Gut Kaltenbrunn am Tegernsee, Dienstag, 19. 12., 22.31 Uhr
Den schönsten Blick auf den See, davon war Quercher überzeugt, hatte man von Gut Kaltenbrunn aus. Der Platz lag an der Nordseite des Sees und bot bei schönem Wetter einen Panoramablick auf die Voralpen und den wie ein großes Tuch daliegenden Tegernsee.
Jetzt aber war es dort finster. Nur die gelben Lichter der anderen Orte leuchteten fahl durch den niedergehenden Schnee. Das Gut beherbergte einst einen stark frequentierten Biergarten, momentan jedoch war das Anwesen leer und verfiel. Als stiller Platz war es gut geeignet. Quercher war sich sicher, dass niemand sie auf diesem frei einsehbaren Feld abhören konnte, und stand mit Hannah knietief im Schnee.
»Erzählen Sie. Wer ist das wirklich?«, fragte er Hannah.
Hannah hatte sich gerade übergeben. Sie schnappte nach Luft, spuckte und kramte dann fahrig in ihrer Jacke nach einer Zigarette.
Sie war in einen Albtraum geraten. War dieser Typ wahnsinnig oder so gut? Oder beides?
Auf der Fahrt hierher hatte er sie zu etwas Unfassbarem genötigt. Sie hatten gerade Wiessee erreicht, als er auf dem Parkplatz des Bestatters hielt, aus dem Wagen sprang und einen Mann begrüßte. Er hatte Hannah zu sich gewinkt und zu dritt waren sie in den Reinigungsraum des Bestatters geschlichen. Der Inhaber und sein Sohn waren nicht im Haus – von wem auch immer Quercher das wusste.
»Das ist mein Schwager. Er stellt keine Fragen und wird uns helfen. Wir haben eine Viertelstunde«, hatte er lakonisch zu Hannah gesagt und bereits einen Zinksarg geöffnet.
Ein unfassbarer Gestank war den dreien entgegengeschlagen.
»Sie taut auf. Schnell.«
Der Schwager hatte eine grüne Gartenplane auf dem Boden ausgelegt. Die zwei Männer hatten zu Hannahs Entsetzen die Wachsleiche so vorsichtig wie möglich aus dem Sarg gehoben, als es passiert war. Ein Bein hatte sich aus dem Hüftgelenk gelöst. Der Leichnam war mit einem satten Geräusch auf die Plane geklatscht.
»Entschuldigung«, hatte Quercher gemurmelt. Dann hatte er nach einem Werkzeug auf einer Anrichte gegriffen, den Zinksarg geschlossen und die Scharniere versiegelt. »Ich habe in meiner Jugend hier gearbeitet«, erklärte er fast entschuldigend in Richtung Hannah, die fassungslos an der Tür gestanden hatte.
Der dichte Schnee hatte alle Passanten auf der Straße vertrieben. So konnten sie die Leiche ungestört in den Kombi legen, wo Lumpi interessiert an der Plane gerochen hatte. Wenig
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