Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
etwas zu klobigen Halsschmuck. Aber Arzu war fasziniert. Hannah wirkte auf sie wie ein schöner Schwan.
Unten hörte sie, wie eine erregte Diskussion zwischen den Prüfern und Anke stattfand. Doch Arzu ließ sich nicht beirren. Sie würde dort unten nichts Konstruktives beisteuern können. Und der Arzttermin drängte sie zur Eile.
Ihre Software machte sich mit einem Klingelzeichen bemerkbar. Eine Grafik baute sich auf dem Bildschirm auf. Sie zeigte eine geografische Karte des Tegernseer Tals, die sich nach Bedarf vergrößern und verkleinern ließ. Arzu sah, wo die drei Männer wohnten, konnte mit ihrer Computermaus auf einzelne Telefonnummern fahren und sofort sehen, wann, wo und mit wem die jeweilige Person telefoniert hatte. Zusätzlich sortierte das Programm die Nummernwahl nach Häufigkeit, sodass Arzu nun wusste, dass Schlickenrieder in den letzten sieben Tagen häufiger Brunner angerufen hatte als der ihn. Auch Stangassinger wollte scheinbar mehr von Brunner als andersherum.
Gedanklich baute sich Arzu eine Pyramide. Unten saß Schlickenrieder, dann folgte der Bürgermeister und oben saß Brunner. Der wiederum telefonierte für einen Immobilienmakler auffallend wenig, dachte Arzu. Zwei Mal war bei ihm ein Anschluss in Österreich verzeichnet, der wohl zu einem Bordell gehörte, wie sie schnell herausfand. Aber allein vier Mal in den letzten zwei Tagen war Brunner von einem Anschluss in Rottach-Egern auf der anderen Seite des Sees kontaktiert worden. Einmal hatte Brunner dort auch selbst angerufen.
Eine unbekannte Nummer. Nur vier Ziffern und zwei Buchstaben waren zu sehen. Das war wirklich auffallend, denn jeder Provider musste die Nummer und den dazugehörigen Teilnehmer kennen. Es sei denn, es handelte sich um eine Firmennummer, die nur codiert beim Provider vorlag und erst innerhalb des Unternehmens dem jeweiligen Teilnehmer zugeordnet wurde. Oder war es die Nummer eines Regierungshandys?
Arzu setzte sich ihre Lesebrille auf, nahm sich das Internetprotokoll des Elektrikers vor und starrte minutenlang auf den Bildschirm. Anhand des Protokolls konnte sie erkennen, welche Internetseiten Schlickenrieder in jüngster Zeit besucht hatte. Pornowebsites, Facebook, wieder Porno und danach mehrfach eine Seite mit Immobilienangeboten. Der Mann war rege im Internet unterwegs, überwies immer wieder Geld, klickte auf Websites von Banken und Online-aktienhändlern.
Arzu machte denselben Abgleich bei den anderen beiden. Und wurde fündig. Auch Stangassinger und Brunner klickten immer wieder diese Immobilienwebsite an, die lediglich aus einer Seite bestand, auf der in bunten Buchstaben darauf hingewiesen wurde, dass sie bald mehr zu bieten hätte. Arzu sah sie sich genauer an. Das Impressum führte sie zu einer Firma auf den Kaimaninseln in der Karibik. Eine typische Briefkastenfirma, die gerne von Steuerflüchtlingen genutzt wurde.
Sie gab die Adresse in das LKA-Programm zur Terrorbekämpfung ein, um zu sehen, ob man mit dieser Firma auf andere Weise schon einmal zu tun hatte. Nur ein Vermerk tauchte auf. Sie sollte bei weiterer Recherche das Bundeskriminalamt in Wiesbaden kontaktieren.
Unten schien die Diskussion beendet zu sein. Türen schlugen, es wurde geflucht. Dann hörte sie Anke weinen. Jemand kam die Treppe herauf.
»Sie sind weg«, sagte Quercher, sichtlich genervt.
»Wie lief es?«
Er holte tief Luft. »Sie haben nichts gefunden, sind aber mit der Aufbewahrung der verderblichen Waren nicht einverstanden. Das ist lächerlich. Sie werden wiederkommen. Eine Geldstrafe ist wohl fällig.«
Arzu sah ihn fassungslos an. »Das kann doch nicht sein?«
Quercher nickte bitter. »Anke fährt jetzt nach Hause und ruft ihren Anwalt an, um dagegen vorzugehen. Aber so kurz vor Weihnachten ist das wohl vergeblich. Und spätestens morgen ist das im Ort Gesprächsthema. Ihre Betriebsfeiern morgen und übermorgen kann sie schon mal vergessen, wenn die Leute das hören.« Er zögerte, ehe er fortfuhr. »Das ist meine Schuld. Ich hätte sie in diese Geschichte nicht mit hineinziehen dürfen.«
Arzu spürte, wie groß Querchers schlechtes Gewissen war, und versuchte, ihn abzulenken. »Ich habe, wie du es mir aufgetragen hast, das Sokrates -Programm aufgesetzt. Wir gehen das jetzt Schritt für Schritt durch. Ich habe schon ein paar Ungereimtheiten gefunden.«
Er stutzte. »Was für Ungereimtheiten?«
Sie erzählte ihm von der Nummer, der fehlenden Kennung und der Immobilienfirma auf den Kaimaninseln.
Statt darauf
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