Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
1953 nach Deutschland zurückgeschickt und machte beim BND in Pullach schnell Karriere, war schon 1959 Verbindungsführer im Bereich Nah-Mittelost, danach Referatsleiter. Ich bin mit ihm vor fast fünfunddreißig Jahren wegen einer Sache in Syrien zusammengerasselt. Daraufhin wurde ich unsanft ausgebremst und landete beim LKA, wo ich auf Spinner wie dich traf.«
Quercher sah empört auf sein Smartphone. »Wir vom LKA hatten alle eher das umgekehrte Gefühl.«
Arzu musste schmunzeln.
Pollinger redete nach einem kurzen Lachen weiter. »Rieger hat die ›sicheren Häuser‹ am See organisiert. Dort fanden all die Schutz, die der Dienst, aus welchen Gründen auch immer, diskret über einen längeren Zeitraum ›parken‹ musste. Die bekamen Wohnungen, Villen und manchmal auch eine neue Identität. Alles mit Seeblick, finanziert vom BND. Aber auch die bayerische Staatsregierung hat da zugegriffen. Der Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski ist ja jedem bekannt. Hochrangige Informanten, ehemalige Agenten, irgendwelche Leute mit Dreck am Stecken wurden von Rieger vor Ort versorgt.«
»Was macht der Mann heute? Der muss doch schon in Pension sein oder tot.«
»Vielen Dank, Max, der Mann ist kaum älter als ich. Du hast aber recht. Er ist seit fünf Jahren pensionierter Regierungsdirektor und lebt am Tegernsee, in Rottach-Egern. Der Mann ist brandgefährlich. Er selbst hat sich nie die Finger schmutzig gemacht. Aber er hat seine Leute. Das sind meist in Ungnade gefallene und somit auf seine Almosen angewiesene Personen.«
Quercher verstand den Wink. Kümmere dich um den, aber bleib vorsichtig. Langsam wurde ihm klar, dass Pollinger ihn auf eine Privatmission geschickt hatte. Niemals sonst würde er so viel aus seinem eigenen Leben erzählen. Es war nun an Quercher abzuschätzen, ob er das Risiko würde eingehen können. Pollinger war nicht mehr lange ein geeignetes Schutzschild im Amt. Aber er hatte Querchers Gesuch auf Frühpensionierung in der Hand – mit der Unterschrift des Dienstherren, dem bayerischen Ministerpräsidenten. Das war Pollingers Karotte, die er vor Querchers Maul hielt. Dem Alten schien sehr viel an dieser Sache zu liegen. Denn auch er gefährdete sich mit der Weitergabe solcher Informationen. Oder nicht? Quercher dachte fieberhaft nach. Er musste weiterbohren.
»Welche Verbindung gibt es denn konkret zwischen diesem Rieger und den Marionetten, unseren dreien von der Tankstelle? Wie sind die miteinander verbunden?«
Pollinger ignorierte Querchers Spott. »Max, das ist alles nicht witzig. Ungefährlich sind die drei sicherlich nicht. Ich habe einen Grundbucheintrag aus dem Amt in Miesbach hier vor mir liegen. Ich schicke dir die gescannte Form jetzt auf den Rechner deiner Kollegin, die mir wenigstens einen Guten Tag wünschen könnte.«
Quercher wurde rot. Woher wusste der Alte, dass er nicht allein war? Arzu hob verwirrt die Schultern und wollte etwas sagen, aber Quercher legte den Finger auf seine Lippen. Pollinger konnte sie unmöglich sehen. In diesem Moment verstand Arzu es und fing an zu grinsen. Pollinger hatte sich einen Zugriff auf ihren Rechner geben lassen – ohne sie darüber zu informieren. Sie tippte Quercher an und deutete auf die Webkamera ihres Laptops.
Quercher verdrehte die Augen und stöhnte. »Du hast uns die ganze Zeit beobachtet, Ferdi? Das ist nicht fein.«
Sein Mentor hustete und lachte gleichzeitig. »Ihr Jung-spunde glaubt, dass euch die moderne Technik allein gehört, was? Ist das Dokument immer noch nicht da?«
Arzu winkte unbeholfen, fast entschuldigend in die Kamera. Quercher sprang währenddessen auf und suchte seine Jacke. Hektisch wühlte er in den Taschen. Dann hatte er es gefunden.
Er hielt das Foto aus dem Schützenstüberl vor die Kamera. »Erkennst du da jemanden?«
Pollinger ließ sich Zeit. »Ja, das in der Mitte ist Rieger. Die anderen kenne ich nicht.«
Quercher schlug kurz mit der Hand auf seine Stuhllehne. Rieger war ein weiteres Puzzleteil. Hier gab es einen Sumpf. Und sein Instinkt sagte ihm, dass er es sorgfältig und ruhig angehen musste.
Ein Ton aus dem Laptop signalisierte, dass Pollingers Scan eingetroffen war.
Quercher sah sich das Blatt an. Es war eine Grundstücksübernahme, beglaubigt von einem Notar in Tegernsee. Es ging um den Kauf eines Grundstücks nicht weit von hier: einer Jagdhütte in der Gemarkung Falzeralm, dem Fundort der Leiche. Neuer Eigentümer: Konrad Rieger.
»Das gibt’s doch nicht! Das ist Riegers Jagdhütte? Nach
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