Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
unseren Informationen gehört sie dem Brunner.«
»Ja, das ist ja jetzt auch so«, erklärte Pollinger. »Schau dir das Datum an. Brunner hat die Hütte von Rieger vor wenigen Jahren erworben. Aber zum Todeszeitpunkt des Soldaten Kürten, der schon damals lange keiner mehr war, gehörte das Grundstück Rieger. Es gibt eine Linie zwischen Rieger vom BND, den drei Herren, die euch nur Gutes wollen, und diesem Herrn Kürten. Den Rieger müsst ihr euch genauer anschauen. Ich kann dir den Rücken freihalten, wenn du halbwegs diskret vorgehst, wenig Staub aufwirbelst und handfeste Beweise lieferst.«
Quercher lachte gequält. »Ach ja, und das Ganze unter erheblichem Zeitdruck. Bin ich vielleicht der Superermittler?«
»Nein, wirklich nicht. Aber du bist gut. Mein bester Mann. Ach übrigens, Max … Heute Morgen wurde dein Restaurant im Glockenbach vom Kollegen Picker durchsucht.«
Arzu drehte sich ruckartig um.
Quercher war es, als ob ihn ein Schlag ins Gesicht getroffen hätte. »Wie bitte?« Er schrie fast. »Ferdi, was ist das für eine Scheiße? Ist das dein Plan? Willst du mich so unter Druck setzen? Das kannst du vergessen! Ich schmeiß hier hin! Ihr miesen Arschlöcher!« Er trat gegen den Tisch und stürmte aus dem Zimmer, um mit Al-Ali zu telefonieren.
Pollinger holte hörbar Luft, dann sagte er leise: »Frau Nishali, wenn sich der Kollege Quercher beruhigt hat, kochen Sie ihm bitte einen Tee, halten seine Hand und richten ihm aus, dass ich bereits alles in die Wege geleitet habe. Er kann weiterhin die frische Luft am Tegernsee genießen. Passen Sie auf sich auf. Ich muss jetzt zum Arzt. Servus.«
Kapitel 28
München, Mittwoch, 20. 12., 10.23 Uhr
Das Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei wird von den Bürgern meist verzerrt wahrgenommen. Tatsächlich existieren grundsätzliche Unterschiede. Die Polizei will eine Tat aufklären. Sie sammelt Beweise, um einen Täter festzunageln. Der Staatsanwalt, zumindest in Deutschland, strebt nach Gerechtigkeit. Entgegen der landläufigen Meinung sucht er auch nach entlastendem Material und er arbeitet immer einzelfallorientiert. Anders der Polizist. Er lässt die Aufklärung des Handtaschenraubs außen vor, wenn er damit ein weitaus größeres Verbrechen auflösen kann.
Kriminalrat Picker musste dem Staatsanwalt, vier seiner jungen Referendare und fünf Studenten der Rechtsfakultät der Universität also eine gute Erklärung für das Stürmen eines einwandfreien Lokals in der Münchner Innenstadt geben. Schließlich hatte er den Einsatz, an dem mehr als vierzig Beamte beteiligt waren, mit übergeordneten Verdachtsmomenten begründet. Er tat dies, ohne zu wissen, dass das bayerische Innenministerium just an diesem Tag auf Geheiß des LKA-Chefs Pollinger Pickers Razzia als Fallbeispiel für junge, angehende Staatsanwälte nahm. Und so fiel es auch seinen Kollegen aus dem Rauschgiftdezernat schwer, das Lokal mit Drogenfunden der letzten Wochen zu präparieren. Wer steckte schon kleine weiße Pakete hinter Kochtöpfe, wenn ein ehrgeiziger junger Akademiker hinter einem stand und sich alles genau anschaute?
Picker schwitzte, obwohl er auf einem vereisten Bürgersteig vor dem Lokal Palmyra stand. Das, wie er jetzt wusste, frei von jedem noch so kleinen Krümel Kokain war.
Der Staatsanwalt kam aus dem Restaurant und blieb neben Picker stehen. »Dr. Picker, ich muss Ihnen nicht sagen, dass wir von diesen Hauruckaktionen nichts halten. Sie fahren hier das ganz große Kino auf und wir dürfen die Scherben wegräumen. Da hinten stehen mehrere Journalisten. Gehen Sie zu denen und sagen ihnen, warum Sie heute hier nichts gefunden haben?«
Picker kroch die Angst den verschwitzten Rücken hinauf, setzte sich in seinen Nacken und ließ ihn aus schierer Verzweiflung angreifen. »Dieses Lokal ist ein Anlaufpunkt für Terroristen aus dem islamistischen Umfeld! Wir haben zwei illegale Personen aus dem Dunstkreis El Kaidas identifiziert!«
Der Staatsanwalt, der heute eigentlich seinen freien Tag hatte, um mit seiner Frau Weihnachtsgeschenke einzukaufen, wollte dem Treiben ein schnelles Ende bereiten. »Ziehen Sie hier ab und gehen Sie die nächsten Tage in Deckung. Hier finden Sie nicht einmal militante Veganer«, sagte er mit einem Ausdruck von Verachtung und stieg in seinen Wagen, wo er seinen Schafskopf-Kumpel Ferdi Pollinger anrief.
Picker stand da und starrte auf ein orangefarbenes Räumfahrzeug der Stadtwerke. Ein dicker Türke saß darin, rauchte und
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