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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Er hatte Mühe, die Patronen zu nehmen und in den Lauf zu stecken.
    Dann stand sie vor ihm, weinend. Das Gesicht blau geschlagen – von ihm. Sie hob ihren Nordic-Walking-Stock, hielt ihn wie einen Speer gegen ihn. Und Josef Schlickenrieder lachte. Er lachte noch, als er die zwei Patronen in den Lauf schob, ihn zurücknahm und anlegte.
    Quercher hatte sich für den schnellen Weg entschieden. Über den geräumten, aber engen und weit ausholenden Pfad entlang des Flusses wäre er zwar trocken, aber sicher zu spät zu Elli gekommen. Also rannte er, so gut es ging, durch den Fluss, sprang auf Sandbänke und Eisplatten und versuchte, dennoch in Deckung zu bleiben, um nicht in eine Falle zu laufen. Nach einer Biegung sah er sie. Schlickenrieder stand an einem Uferabbruch im Schnee und zielte mit einer Schrotflinte auf Elli. Sie stand zwar über ihm, hatte aber nur einen Stock in der Hand, mit dem sie ihn absurderweise abwehren wollte. Quercher war jetzt vielleicht zwanzig Meter entfernt. Das würde reichen. Plötzlich setzte wieder dichter Schneefall ein. Während er lief, griff er nach seinem Holster. Ein Fehler. Durch die Bewegung seines Arms nach hinten verlor er das Gleichgewicht. Quercher fiel in das eiskalte Wasser. Sofort sog sich seine wattierte Jacke voll. Seine Pistole lag auf dem Grund des Flusses, wenige Meter vor ihm. Er sah sie. Aber er würde sie nicht mehr rechtzeitig nehmen und zielen können. Er schnappte nach Luft, hielt sich an einem Granitfelsen fest, wischte sich das Wasser aus dem jetzt eiskalten Gesicht und blickte in Richtung Elli und Schlickenrieder. Der hatte sein Gewehr erhoben. Gleich würde der Schuss fallen. Seine Hände rutschten von dem Felsen ab und Quercher fiel wieder zurück. Die Strömung drückte ihn nach unten. Er schrie. Wasser füllte seinen Mund. Als er wieder auftauchte, sah er, wie Schlickenrieder einsackte, nach hinten kippte und dabei das Gewehr nach oben riss.
    Schlickenrieder drückte unwillkürlich ab, wurde noch weiter nach hinten gerissen und lag plötzlich wie ein Maikäfer auf dem Rücken, die Beine bis zur Hüfte fest im Schnee. Elli Schlickenrieder stieß den Stock nach vorn und verlor dabei das Gleichgewicht. Mit der ganzen Wucht ihres Körpers drang die Spitze des Stocks in das linke Auge ihres Ehemanns, drückte den Augapfel beiseite und fuhr in das Vorderhirn. Aus Schlickenrieders Mund kam ein schriller Schrei. Elli wollte den Stock loslassen, verhakte sich aber in der Schlaufe, und so drang der Stock rotierend weiter in den Kopf von Josef Schlickenrieder. Es dauerte einen Augenblick, bis Elli sich befreit hatte. Sie fiel zur Seite und weinte. Josef Schlickenrieder zuckte noch ein wenig. Dann starb er. Es roch plötzlich nach Urin. Er hatte sich eingenässt.
    Quercher griff nach seiner Waffe, die immer noch auf dem Grund des Flusses trieb, und zog sich zum Ufer. Mit größter Anstrengung stapfte er durch den Schnee zu Elli. Sie hatte sich erhoben und sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an.
    »Alles wird gut. Er hat es verdient«, stieß er atemlos hervor, zwei Meter von ihr entfernt stehend.
    »Nein, Max, ich habe ihn getötet. Und damit ist alles zu Ende.« Sie griff sich die Flinte, legte den Lauf in den Mund und drückte ab.
    Quercher erstarrte. Ein leises »Nein« quoll aus seinem Mund. Aber es klickte nur. Die Flinte schien eine Ladehemmung zu haben. Er hechtete nach vorn, fiel mit seinem ganzen Gewicht auf Elli und riss sie zu Boden. So blieben sie liegen, still und sekundenlang.
    »Mach es nicht. Es ist nicht richtig«, flüsterte er bibbernd vor Kälte in ihr Ohr.
    Ihr ganzer Körper zitterte, Tränen rannen über ihre Wangen. »Es ist alles aus. Ich habe den Vater meines Kindes getötet.«
    Quercher strich über ihren Kopf. »Nein, Elli, er wollte dich töten. Du hast dich gewehrt. Das war richtig. Zum ersten Mal hast du dich gewehrt. Und es ist gut so.«
    »Wie soll ich das meiner Tochter erklären?«, schluchzte sie.
    Rotz rann aus ihrer Nase. Quercher wischte ihn mit seinen klammen und nassen Händen ab. Dann erhob er sich, zog sie empor, darauf achtend, dass sie die Leiche ihres Mannes nicht sah. Die nasse Kälte war kaum auszuhalten.
    »Du frierst«, stellte Elli sachlich fest.
    »Passt schon«, antwortete er.
    »Max, was soll ich jetzt machen?«
    Quercher dachte nach. Ihre Karten waren wirklich nicht gut. Die Kollegen von der Kripo würden Ellis Flug nach Indien als Vorbereitung zu einer Flucht betrachten. Es hing von seiner Aussage ab. Aber er

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