Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
große Summen Schwarzgeld verfügen. Das wird mit Sol natürlich noch mehr. Da werden nur einheimische Handwerker, die den Kurs brav mitgehen, ausgewählt. Sie stellen mal überhöhte, mal zu niedrige Rechnungen und erhalten so Schwarzgeld. Und die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung umgehen sie, indem Unternehmer aus EU-Staaten offiziell Teile zugewiesen bekommen, diese dann aber weitergeben an die heimischen Handwerker. Ein sehr ausgeklügeltes Modell.«
Quercher verstand. Jede Seite zog ihren Vorteil aus dem gigantischen Bauprojekt.
»Dieser Immobilienfonds hinter dem Gesamtprojekt Sol ist von Riegers Leuten eingerichtet worden«, fuhr Elli fort. »Die Strukturen kenne ich nicht. Der Josef und die beiden anderen aber haben nur einen Plan: Sie wollen den Ort komplett übernehmen und kontrollieren, und denen, die im Tal davon profitieren, ist das wurscht.«
Quercher bekam allmählich ein Gefühl dafür, warum so heftig und so schnell auf seine Ermittlungen reagiert worden war. Das hier war ein gigantischer Sumpf. Nur hatte er bislang weder einen Beweis noch eine ernst zu nehmende Aussage eines Zeugen oder Beteiligten.
»Elli, du magst ja recht haben. Aber wie sollen wir das beweisen? Du sitzt gleich im Flieger. Und dein Mann wird wohl wenig kooperativ sein.«
Sie zeigte auf die Kiste und öffnete sie. Quercher zog die Augenbrauen hoch. Mehr als zwei Dutzend USB-Sticks lagen darin.
»Diese USB-Sticks hat der Josef gesammelt. Er hat alle Gespräche, Sitzungen und Daten, die er in den Händen hielt, aufgenommen und auf diese Sticks gespielt.«
Hannah pfiff durch die Zähne. »Nicht schlecht für einen Elektriker.«
Elli sah sie böse an. »Haben Sie mit einfachen Menschen ein Problem?«
Hastig schüttelte Hannah den Kopf und schwieg betreten.
»Wissen Sie, Frau Kürten, der Josef, der war kein Schlauer wie etwa der Brunner oder Stangassinger. Der hat nie das Abitur gemacht. Und deswegen hatte er auch immer Angst, dass die anderen, die Studierten, ihn übervorteilen, ihn ausnehmen oder nur benutzen. So hat er das getan, was er am besten konnte. Sein Elektrikerwissen eingesetzt für einen Trumpf in der Hand. Ich konnte ihn verstehen. Und ich habe ihm anfangs auch dazu geraten, wenn Sie es genau wissen wollen.«
Elli hatte sich in Rage geredet und auch Quercher war genervt über Hannahs Bemerkung. Niemals durfte man Zeugen, wenn sie reden, mit Vorwürfen oder Arroganz begegnen. Sie stockten, zogen sich zurück und man selbst stand wie ein Idiot da. Elli war der Schlüssel zu allem. Und sie hatten wenig Zeit.
Aber Elli hatte sich wieder gefangen. »Ich würde gern mit Max noch ein paar private Sachen klären«, sagte sie zu Hannah.
Quercher nickte kurz mit dem Kopf Richtung Tür. Und tatsächlich erhob sich Hannah wortlos und ging hinaus. Kaum war sie mit Lumpi außer Sichtweite, beugte sich Elli zu Quercher über den Tisch.
»Die ist nicht sauber. Irgendetwas stimmt mit der nicht. Pass auf, Maxl!« Sie sah ihn eindringlich an. »Und nein, ich bin nicht eifersüchtig. Vermassele das hier nicht, nur weil du mit deinem Schwanz denkst.«
Er lächelte. »Schon verstanden. Sie ist ja draußen.«
Elli wies auf den Papierstapel. »Hier sind die Aufzeichnungen über den Zahlungsverkehr. Kontoauszüge, Überweisungen, veränderte Steuererklärungen – alles. Daneben sind Protokolle, von wem und wann, weiß ich nicht genau.«
Sie stoppte und strich über die Kladden. Auf ihnen waren in alter Schrift Jahreszahlen und die Buchstaben A. J. geschrieben worden.
»Das da rechts sind Tagebuchaufzeichnungen des alten Schlickenrieders. Er hat sie in Sütterlin geschrieben. Ich kann die Schrift leider nicht mehr komplett entziffern.«
Elli hatte offensichtlich alles gesagt und sah Quercher erwartungsvoll mit ihrem noch nicht zugeschwollenen Auge an. Es war blutunterlaufen. Sie würde lange brauchen, um das alles zu vergessen, dachte Quercher.
»Ich muss jetzt los«, erklärte Elli. »Du wirst das schon alles richtig machen. Und ich werde es in Indien oder woanders dann erfahren.« Sie zog den Reißverschluss ihrer Jacke hoch und gab Quercher die verbundene Hand.
»Viel Glück, Elli. Du hast uns wirklich sehr geholfen«, erwiderte Quercher.
Sie zog ihn an sich und umarmte ihn heftig. »Dir habe ich geholfen. Nicht euch. Mein Leben wäre ein anderes geworden mit dir. Du sturer Bock. Aber so ist es jetzt auch gut. Pass auf dich auf. Die sind zu allem entschlossen«, flüsterte sie in sein Ohr.
Sie küsste ihn auf den
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