Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Mund und er schmeckte etwas Blut an seinen Lippen. Dann begleitete er sie noch hinaus.
Sie sah mit verschlossenem Gesicht zu Hannah und wieder versöhnlich zu Quercher. »Die Sonne geht gleich unter. Macht, dass ihr heimkommt.«
Er nickte und reichte ihr seine Visitenkarte. »Melde dich. Ich will wissen, ob es dir gut geht.«
Er sah ihr nach, wie sie hinab ins Tal Richtung Parkplatz schritt. Erst jetzt bemerkte er, dass sie leicht ein Bein nachzog. Es begann zu schneien.
Hannah setzte sich mit Lumpi auf eine Bank, die von einem schneebedeckten Dachvorsprung geschützt wurde. »Und? Max, was denkst du?«
Er drehte sich zu ihr und stellte einen Fuß auf die Bank. »Ich denke, dass Rieger und eine Seilschaft aus alten BND-Agenten hier am Tegernsee eine neue Betätigung gefunden haben. Sozusagen im Ruhestand weiterarbeiteten. Sie haben altes Nazigeld gewaschen. Der Vater jenes Riegers, der gerade mit einer Kugel im Kopf im Schilf liegt, hat das wohl organisiert. Dann kam dein Großvater ins Spiel. Auch er kaufte Grundstücke – mit dem Geld der alten Nazis.«
Hannah zog spöttisch die Mundwinkel nach oben. »Das mag ja sein. Aber er wusste sicherlich nicht, wer sie waren.«
Quercher schüttelte den Kopf. »Das macht nicht viel Sinn. Er wird gewusst haben, mit wem er es zu tun hatte.«
Sie sah ihn überrascht an. »Willst du mir gerade sagen, dass mein Großvater mit dem Pack hier unter einer Decke steckte?«
»Na ja, dein Großvater war definitiv bei der SS. Mit dem Hintergrund hätte er nicht so einfach Grundstücke kaufen können. Also schien er eine andere Identität …«
»Sei vorsichtig mit deinen Vermutungen«, drohte sie.
»Warum?«, fragte Quercher.
In diesem Moment hörte er den Schrei. Er kam vom Parkplatz. Es war Elli.
Kapitel 36
Bad Wiessee, Mittwoch, 20. 12., 15.30 Uhr
Ronald Hudelmeier war Soldat aus Pflichtgefühl. Und er war ein Killer – aus Lust. Das erste Mal hatte er es als Offizier bei der KSK, der Spezialtruppe der Bundeswehr, bemerkt. Dort hatte Rieger ihn gefunden, ihn aufgebaut und ihm Arbeit verschafft. Aber die Bilder waren Hudelmeier nie aus dem Kopf gegangen. Da drüben, in Afghanistan, hatte er seine andere Seite ausleben können. Jetzt war er Riegers Mann. Und der hatte ihm klare Anweisungen gegeben.
Die kleine Türkin hatte er ›geparkt‹. Die würde er sich nach Kreuth vornehmen. Vorher kam Josef Schlickenrieder dran. Er hatte versucht, ihn anzurufen, ihn jedoch nicht erreicht. Hudelmeier fand ihn schließlich im Bett der Nachbarin. Er hatte getrunken. Und wie die Nachbarin erzählte, »auch keinen hoch bekommen«. Ihr hämisches Lachen wurde von Schlickenrieder mit einer Ohrfeige quittiert.
Hudelmeier wandte sich an Schlickenrieder: »Du Idiot hast deine Alte nicht im Griff. Rieger sagt, Elli hat Beweise, die sie dem Münchner Bullen präsentieren will. Wir müssen das verhindern.«
Schlickenrieder versuchte, gegenüber Hudelmeier Ruhe zu demonstrieren, und sah ihn spöttisch an. »Ach ja, und was für Beweise sollen das bitte sein?«
»Deine gute Laune wird dir gleich vergehen. Elli soll alle Unterlagen zum Sol -Projekt bei sich haben. Also komm mit.«
Fluchend erhob sich Schlickenrieder, zog sich an und lief hinüber zu seinem Haus. Hudelmeier folgte ihm. Im Arbeitszimmer durchsuchte Schlickenrieder hektisch seine Schreibtischschublade. Aber unter dem Haufen Papier war nichts mehr – Elli hatte seine USB-Sticks mitgenommen. Blut schoss in sein Gesicht. Er schloss für ein paar Sekunden die Augen. Dann rannte er in den Keller, suchte hektisch nach einem Schlüssel und öffnete einen Metallschrank. Mindestens sechs Langwaffen, die meisten Jagdgewehre, waren fein säuberlich aufgereiht.
»Die nehme ich.« Schlickenrieder nahm sich eine Schrotflinte. »Sie soll leiden.« Hudelmeier hatte seine Waffe im Kofferraum seines Autos.
In Kreuth parkte er den Wagen neben dem einsam im Schnee stehenden Benz von Quercher. Zusammen mit Schlickenrieder hetzte er am Klausurgebäude der CSU vorbei.
»Da steht der Landrover«, wies Hudelmeier mit dem Finger hinunter zum Parkplatz. »Du holst dir deine Frau. Und ich kümmere mich jetzt endgültig um diesen Quercher.«
Er war nicht sicher, ob er Schlickenrieder eventuell helfen müsste. Aber als er sah, wie ruhig dieser trotz seines Alkoholpegels die Waffe lud, machte er sich keine Sorgen mehr. Schlickenrieder schien seinen Zorn auf seine Frau fokussiert zu haben. So konnte sich Hudelmeier nach Siebenhütten aufmachen.
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