Querschläger
erklärte Nina, bevor ihr die Bedeutung von Winnie Hellers Rückfrage allmählich aufging. »Aber wieso weißt du das denn nicht?«
Winnie Heller zuckte vorsichtig die Achseln.
»Du bist doch ein Bulle.«
»Ich … Was hat denn das damit zu …« Winnie Heller schien immer verwirrter, während Nina auf dem Rücksitz bereitwillig zur nächsten Erklärung ansetzte:
»Und als Bulle musst du doch …«
»Es heißt Polizist«, unterbrach Verhoeven sie energisch, auch wenn er seine Tochter zu genau kannte, um sich hinsichtlich ihrer Beharrlichkeit auch nur die geringsten Illusionen machen zu können.
»Von mir aus«, stöhnte Nina. »Aber als Po-li-zi-hist muss Winnie doch wissen, dass es verboten ist, im Garten Tretboot zu fahren, wegen …« Sie kräuselte ihr entzückendes kleines Stupsnäschen, während sie nachdachte. »Wie heißt das noch mal, Papa?«
Verhoeven biss sich auf die Lippen und warf seiner Kollegin einen beschwörenden Seitenblick zu.
»Papa!«
»Mhm.« Fünfjähriger Forschergeist. Zur Hölle damit!
»Wie heißt das, von dem du mir erzählt hast?«
Verhoeven verzog schmerzvoll das Gesicht. »Anti-Tretboot-Verordnung«, antwortete er so leise und undeutlich wie möglich.
»Genau, Anti-Tretboot-Verordnung«, krähte sein aufgewecktes Mädchen in sonorem, lupenreinem Hochdeutsch und so laut, dass man es wahrscheinlich noch auf der anderen Rheinseite hören konnte, während neben Verhoeven Winnie Hellers Augenbrauen in die Höhe schossen.
Dann, nach einem Moment ungläubigen Staunens, glättete sich ihre Stirn. »Ach so, na klar, die Anti-Tretboot-Verordnung!«, rief sie, indem sie sich in gespieltem Erkennen die Hand vors Gesicht schlug. »Sicher doch, die gibt es.«
»E-hecht?«, hakte Nina im selben Moment nach, in dem sie vor dem Kindergarten hielten, und Verhoeven registrierte mit einer leisen Verärgerung, dass seine Tochter bereits nach knapp zwei Stunden in Paola Leonidis’ Gesellschaft den gestelzten Tonfall ihrer Cousine für sich entdeckt hatte.
»Na klar gibt es die Anti-Tretboot-Verordnung«, nickte Winnie Heller. »Ich hatte sie nur vergessen, weißt du, weil ich es grundsätzlich nicht so hab, mit den Vorschriften.« Sie seufzte tief und ließ ihre Blicke mit genüsslicher Penetranz auf Verhoevens Gesicht ruhen. »Aber dein Vater hat natürlich ganz recht gehabt: Das Tretbootfahren in reinen Wohnsiedlungen ist tatsächlich absolut verboten. Ganz besonders unter Lärchen.«
»Waru-hum?«, wollte Nina wissen, während Verhoeven sie hastig aus dem Kindersitz befreite.
»Naja, weil Lärchen die einzigen Nadelbäume sind, die jeden Herbst ihre Nadeln abwerfen«, erklärte Winnie Heller mit verschmitzter Miene. »Und wenn diese Nadeln ins Wasser fallen, weißt du, könnten sie sich dort sammeln und ein gefährliches Hindernis darstellen, an dem der Kiel deines Bootes hängen bleiben könnte. Und dann würde das Boot vielleicht leckschlagen und sinken.«
Gütiger Gott, dachte Verhoeven mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung, diese Frau lügt ja wie gedruckt!
»Aber das wäre doch gar nicht schlimm«, startete Ninas investigativ veranlagter Verstand einen neuen Versuch, dem Wesen jener mysteriösen Anti-Tretboot-Verordnung auf den Grund zu gehen. »Man kann doch in dem Teich überall stehen.«
Na, jetzt bin ich aber gespannt!, dachte Verhoeven und ließ sich bewusst Zeit damit, den Reißverschluss an Ninas Jacke zu schließen.
»Das mag schon stimmen«, entgegnete Winnie Heller, ohne eine Miene zu verziehen. »Aber darauf kommt es nicht an, weißt du? Es ist nun einmal Vorschrift, dass jedes Gewässer, das zum Bootfahren oder Schwimmen genutzt wird, bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss. Das kann zum Beispiel ein Bademeister sein, der zu bestimmten Zeiten vor Ort Wache halten muss, oder auch die Auflage, geeignete Rettungswege für einen Krankenwagen frei zu halten. Oder für die Feuerwehr, falls mal aus Versehen ein Eichhörnchen, das von auswärts ist und nicht schwimmen kann, in euren Teich fällt und gerettet werden muss.« Sie drehte sich um und schenkte der Tochter ihres Vorgesetzten ein entwaffnendes Lächeln. »Und außerdem gilt auch für Privatgewässer das deutsche Reinheitsgebot.«
»Ach so«, sagte Nina, offenkundig zutiefst beeindruckt. »Na dann …« Sie stieg aus dem Wagen und nahm widerwillig die Tasche, die ihr Vater ihr entgegenstreckte.
»Ich wünsche dir einen schönen Tag«, rief Winnie Heller gut gelaunt, indem sie das Seitenfenster
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