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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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herunterließ, um der Tochter ihres Vorgesetzten noch einmal zuwinken zu können.
    »Ich dir auch«, rief Nina zurück. Dann sprang sie die drei Stufen zum Eingang des Kindergartens hinunter.
    4
    Jessica Mahler schob den Schlüssel ins Schloss und hätte vor Freude beinahe losgeheult, als sie feststellte, dass er tatsächlich passte. Wie sorglos die Leute doch waren!
    Sie hatte extra im Internet recherchiert, wie Rosmarin aussah, um vor Ort nicht erst lange suchen zu müssen, aber diese Mühe hätte sie sich wirklich sparen können. Es gab nur einen einzigen Blumentopf auf dem niedrigen Mäuerchen, das den Grillplatz von drei Seiten einschloss. Nur diesen abgestoßenen Tontopf mit dem immergrünen Lippenblüter, der angeblich Dämonen abwehrende Kräfte besaß und sich auch für diverse Liebeszauber eignete. Liebeszauber! Jessica Mahler schüttelte den Kopf. Wenn das nicht eine tolle Ironie war!
    Aber was soll’s, dachte sie. Hauptsache, ich habe den verdammten Schlüssel! Ganz abgesehen davon, dass ich auf diese Weise quasi im Vorbeigehen auch noch meine Botanikkenntnisse erweitert habe und wahrscheinlich für den Rest meines Lebens wissen werde, wie Rosmarin aussieht und dass der Name so viel wie »Tau des Meeres« bedeutet.
    Sie blickte noch einmal kurz über ihre Schulter zurück, dorthin, wo der Wald begann. Der würzige Duft feuchter Erde hüllte sie ein wie eine samtene Stola, und sie genoss das Gefühl. Eigentlich hatte sie erwartet, dass die Hütte in ihr etwas wie Übelkeit oder doch zumindest ein erhebliches Unbehagen auslösen würde, aber alles, was sie empfand, war Ruhe und Erleichterung darüber, dass sie so problemlos hergefunden hatte. Gut, es war eine ziemliche Parforce-Tour, wenn man anstelle eines PS-starken BMW nichts als ein schnödes Fahrrad zur Verfügung hatte, mit dem man sich zunächst durch die halbe Stadt, dann in eine übervolle S-Bahn und anschließend auch noch kilometerweit durch die Pampa kämpfen musste. Aber von der reinen Orientierung her war es ein Kinderspiel gewesen, die Hütte von Lukas Wertheims Vater zu finden.
    Wie ruhig es hier ist, staunte sie, indem sie ihre Augen über das dichte Unterholz schweifen ließ, das unmittelbar hinter dem Grillplatz begann. Wie friedlich! Das Einzige, was sie hörte, war ein Specht, der in einem der nahen Bäume geräuschvoll nach Nahrung suchte. Sein hohles Klopfen hallte zwischen den hohen Stämmen wider, und Jessica Mahler dachte, dass es schön sein müsste, in dieser Hütte zu übernachten. Aufzuwachen und schon mit dem ersten Atemzug am weit geöffneten Fenster dieses herrliche Waldaroma in sich aufsaugen zu können, um anschließend mit jemandem, dem man vertrauen konnte, auf der moosigen Veranda zu frühstücken.
    Aber Lukas und sie hatten nicht gefrühstückt.
    Genau genommen hatten sie nicht einmal übernachtet.
    Sie hatten getan, was sie sich zu tun vorgenommen hatten, und waren anschließend sofort wieder aufgebrochen. Lukas hatte sie vor ihrem Gartentor abgesetzt und war losgefahren, bevor sie die Haustür erreicht hatte. Und spätestens da war ihr bewusst geworden, dass er sich nichts aus ihr machte. Dass er sie benutzt hatte wie ein Stück Fleisch, um sie anschließend im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße zu setzen.
    Jetzt jammer hier nicht lange rum, sondern mach endlich, dass du weiterkommst, mahnte ihr Verstand, und Jessica Mahler wandte sich schicksalsergeben wieder der Tür zu.
    Ihr Herz schlug vor Aufregung bis zum Hals, als sie den Schlüssel im Schloss herumdrehte und dann langsam, Zentimeter für Zentimeter, die Tür aufschob. Es war eine überaus solide Tür, im Grunde viel zu solide für ein Wochenendhaus, das außer ein paar Möbeln und einem alten Fernseher nicht viel Wertvolles enthielt. Aber die Wertheims waren nun einmal entschlossen, ihr Eigentum zu schützen. Vor allem Erich Wertheim, Lukas’ Vater, schien ein echter Sicherheitsfanatiker zu sein! Jessica Mahlers Blick glitt über die beiden stabilen Riegel an der Innenseite der Tür. Sie war dem erfolgreichen Unternehmer nie persönlich begegnet, aber hin und wieder entdeckte sie sein Foto in der Zeitung, wenn Erich Wertheims Firma eine größere Summe für irgendeinen lobenswerten Zweck gespendet oder der Unternehmer wieder einmal irgendwo im Dienste der Wohltätigkeit Tennis oder Golf gespielt hatte.
    Mach jetzt!
    Schon gut, schon gut, dachte sie, ich bin ja schon dabei!
    Sie ließ den Schlüssel außen im Schloss stecken und machte ein paar

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