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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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traf sie mit voller Wucht. Das, was mit Lukas passiert ist, war kein Zufall! Es war eine Hinrichtung! Nikolas wollte Lukas töten.
    Aber warum?
    Ihr Blick glitt über die Holzdielen, während die Gedanken in ihrem Kopf wild durcheinanderpurzelten. Bilder blitzten vor ihr auf. Satzfetzen. Als ob einer irgendwo in ihrem Kopf einen Riegel gelöst hätte. Lukas und Steven haben mich quer durch den Wald gehetzt wie ein Wild. Mich und auch noch andere. Andere!, wiederholte etwas in ihr. Oft genug fungieren wiederholte Kränkungen als Auslöser für solche Bluttaten. Wer hatte das noch gleich gesagt? Irgendein Experte im Fernsehen? Mehr als sechzig Prozent aller Amokläufe sind durch Rache motiviert. Durch Rache … Das Wort stand in flammenden, blutroten Lettern vor ihrem inneren Auge. RACHE! Wieso war Tante Karen nicht im Lehrerzimmer, als Nikolas dort aufgekreuzt ist, um seine Rache zu vollziehen?
    Nikolas Hrubesch hatte sich rächen wollen!
    An Tante Karen für die schlechten Deutschnoten.
    An Lukas Wertheim für wochen- und monatelange Schikanen. Und …
    Jessica Mahler hob den Kopf und sah Steven Höhmann direkt in die Augen. »Sag mal, habt ihr Nik eigentlich jemals mit hier raus genommen, Lukas und du?«
    Es war zu dunkel, als dass sie es mit Sicherheit sagen konnte, aber sie hätte wetten mögen, dass er unter seiner Sonnenbankbräune eine Spur blasser geworden war. »Was meinst du?«, fuhr er sie an. »Warum sollten wir ihn mit hierhergenommen haben?«
    »Vielleicht, weil ihr auf ihn schießen wolltet.«
    Er sprang auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Hast du einen Knall? Wovon zum Teufel sprichst du eigentlich?«
    »Von euren Paintball-Spielchen. Und von den Hetzjagden, die ihr hier veranstaltet habt. Hetzjagden, für die ihr einen Dummen als Opfer brauchtet. Oder sollte ich besser sagen: als Ziel?«
    Er antwortete nicht, aber sie konnte sehen, dass er hin und her überlegte, woher sie das wissen konnte. Und sie sah auch, dass sie mit ihrer Annahme in Bezug auf Nikolas Hrubesch höchstwahrscheinlich richtig lag.
    »Hast du das schon der Polizei erzählt?«, fragte sie, als unvermittelt wieder jenes überragende Triumphgefühl in ihr aufstieg, das sie beim Anblick von Lukas Wertheims Leiche empfunden hatte. Das Gefühl, einen bedeutenden Sieg errungen zu haben. »Ich meine, die werden sich doch bestimmt dafür interessieren, dass ihr Nikolas quer durch den Wald gehetzt und mit Farbpatronen beschossen habt, oder?«
    Steven Höhmanns Miene erstarrte unter ihren Augen. »Wir haben nichts dergleichen getan«, sagte er, doch seine Stimme klirrte, als habe er eine Scherbe tief in seiner Kehle sitzen.
    »Nicht?«, entgegnete sie leichthin, während sie überlegte, ob sie ihm drohen oder vielleicht doch lieber zuerst noch einmal mit Sven Strohte sprechen sollte. Aber dann fiel ihr etwas ein, das sie übersehen hatte. Etwas, das … Zur Hölle, ja! Etwas, das ein gänzlich neues Licht auf die Sache warf und das die Kräfteverhältnisse endgültig zu ihren Gunsten verschob. Halt bloß die Klappe, mahnte ihr Verstand, sag nichts, bevor du nicht alles gründlich durchdacht hast! Doch sie konnte einfach nicht widerstehen. Das Gefühl von Überlegenheit war zu stark. Sie wollte Steven Höhmann demütigen. Sie hatte ihn mit dem Rücken zur Wand, und jetzt wollte sie ihm ihre Trumpfkarte mitten in seine selbstgefällige Fresse schleudern! »Tja, ich schätze, das ist eine echte Erleichterung für dich. Ich meine, zu wissen, dass ihr Nikolas nicht gequält habt und dass er Lukas nur durch Zufall erschossen hat.« Sie schenkte Steven Höhmann ein kokettes Lächeln. »Besonders vor dem Hintergrund dieser Gerüchte …«
    Er schien nicht zu wissen, was er mit ihrer Reaktion anfangen sollte. »Wovon zum Teufel quatschst du da?«
    »Wenn es tatsächlich stimmt, was man so hört, hatte Nikolas einen Helfer. Jemanden, der möglicherweise dieselben Motive hatte wie er selbst. Und ich …« Sie genoss jedes ihrer Worte in vollen Zügen. »Naja, weißt du, ich hatte mich schon gefragt, ob du noch ruhig schlafen kannst …«
    11
    Winnie Heller platzierte ihr Diktiergerät in der Mitte des Tisches und schaltete es ein, ohne zu fragen, ob Mirja Libolski mit einer Aufzeichnung ihres Gesprächs einverstanden war.
    Verhoeven und sie hatten beschlossen, sich zu trennen, um Zeit zu sparen, und dieses grell geschminkte Girlie dort auf der anderen Seite des zerkratzten Esstisches war Winnie Hellers Anteil bei der ganzen Sache. Dabei hätte

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