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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Misstrauen verriet. »Jemanden?«
    »Keine Ahnung, wer das gewesen ist. Ich glaube … Ja, ich glaube, es war Angela.« Denn die war definitiv zu tot, als dass sie ihm hätte verraten können, dass diese fadenscheinige kleine Geschichte nicht der Wahrheit entsprach. Geschickter Schachzug, lobte ihr Verstand, und auch Steven Höhmann schien ihr die Story allmählich abzukaufen.
    »Verstehe«, sagte er. »Und wieso suchst du dein Andenken ausgerechnet unter dem Bett?«
    »Ich habe dich kommen hören, und da hab ich Schiss gekriegt«, versuchte sie es zur Abwechslung mal mit der Wahrheit. »Es ist ziemlich gruselig, so allein hier draußen, noch dazu … Na ja, wo ich ja eigentlich nicht die geringste Berechtigung habe, hier zu sein.«
    »Und?« Steven Höhmann musterte sie von oben herab. »Bist du fündig geworden?«
    Eine harmlose kleine Frage, aber etwas an der Art, wie er das sagte, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. »Fündig?«, stammelte sie.
    »Wegen deines Andenkens.«
    »Ich … Nein … Zumindest nicht so richtig.« Jetzt reiß dich schon endlich zusammen! »Ich meine, unten im Schrank sind ein paar Kleidungsstücke, aber die sehen eigentlich nicht so aus, als ob sie Lukas gehört hätten. Eher seinem Vater. Aber ich schätze, das Ganze war sowieso eine total bescheuerte Idee von mir.« Sie blickte ihn an, während sie zu allen höheren Mächten betete, dass es ihr gelingen möge, ein Mal, nur ein einziges Mal in ihrem Leben einen von diesen Augenaufschlägen zustande zu bringen, die selbst noch den ekligsten Macho dazu brachten, die letzten verschütteten Reste seiner Ritterlichkeit zusammenzuklauben und selbige, ohne zu zögern, in ihre Dienste zu stellen.
    Doch wie es aussah, funktionierte dergleichen nur im Fernsehen, denn Steven Höhmann bedachte sie mit einem Blick, der alles andere als ritterlich war. Im Gegenteil. Jessica Mahler sah in seine Augen und fand, dass sie etwas Grausames hatten. Etwas Unerbittliches. Und auf einmal fühlte sie wieder die kalte Hand der Angst in ihrem Genick.
    »Tja«, sagte sie hastig. »Ich schätze, du willst lieber allein sein.« Er stand so, dass sein Körper die Tür versperrte, aber das war wahrscheinlich purer Zufall. »Und ich muss jetzt auch wirklich los, sonst dreht meine Mutter noch völlig durch. Sie ist ohnehin ziemlich fertig wegen dieser ganzen Sache an der Schule und …«
    »Das ist doch normal«, nickte er, und sie freute sich, dass er auf das Thema ansprang.
    »Was ist mit deinen Eltern?«, bemühte sie sich, die Gunst des Augenblicks zu nutzen. Ein bisschen harmlose Konversation, um diese mehr als verfängliche Situation zu entschärfen, und dann nichts wie raus hier! »Kommen sie klar mit dem, was passiert ist?«
    »Ich wüsste nicht, was dich meine Eltern angehen.«
    Da war er wieder, dieser gnadenlose Zug, der ihr schon eben aufgefallen war und den sie nie zuvor an Steven Höhmann bemerkt hatte. In der Schule wirkte er immer so … so harmlos! Geradezu nichtig. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass er neben dem charismatischen Lukas Wertheim immer irgendwie untergegangen war. Ein Anhängsel, der Typ, der immer einen halben Schritt hinter dem bestaussehenden Jungen der Schule her tappte, ein Schatten, gesichtslos und ohne eigenes Profil. Ja, dachte Jessica Mahler schaudernd, und jetzt, wo Lukas tot ist, blüht er auf.
    »Vergiss es«, stieß sie hastig hervor, während sie überlegte, ob er sie aufhalten würde, wenn sie sich einfach an ihm vorbeidrängte. Wie groß war dieser Kerl eigentlich? Eins achtzig? Oder noch größer? Auf jeden Fall ein ganzes Stück größer als sie. Ihre Augen glitten an seinem Oberkörper hinunter, und zum ersten Mal fiel ihr auf, wie viel Mühe sich Steven Höhmann gab, seinen toten Freund zu kopieren. Das gleiche weiße T-Shirt unter der Lederjacke. Die gleiche wohldosierte Menge Gel in den hellbraunen Haaren. Die gleiche ebenmäßige Solariumbräune. »Also dann«, sagte sie und machte einen Schritt vorwärts.
    »Warte mal.« Er stemmte seinen muskulösen Arm in den Türrahmen, sodass sie unweigerlich stehen bleiben musste.
    Sie warf ihm einen flehenden Blick zu. »Hey, ich hab’s eilig, okay?«
    »Das kann ich mir schon vorstellen«, entgegnete er mit einem herablassenden Lächeln. »Aber ich glaube, ich habe da etwas, das du dir ansehen solltest.«
    Nein! Nicht das! Lukas hat doch gesagt …
    »Das glaube ich kaum«, sagte sie, indem sie seinen Arm beiseiteschob und dann mit entschlossenen Schritten auf den

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