Querschläger
…«
»Nein«, gab sie zurück, wobei sie für einen Moment sogar vergaß, leise zu sprechen. »Ich habe kein Problem. Alles bestens.«
Etwas, das Verhoeven ihr nicht im Mindesten abkaufte, aber er ließ sie in Ruhe und kehrte zu Kröll an den Tisch zurück. Dort drehte er sich noch einmal kurz nach ihr um, aber sie wandte ihm den Rücken zu und telefonierte. »Sagen Sie«, wandte er sich seufzend wieder an Beate Soltaus Exmann. »Wie war eigentlich Ihr Verhältnis zu Ihrer geschiedenen Frau?«
Die braunen Augen verengten sich. »Ich bin sicher, dass Sie das bereits wissen.«
»Ich hätte es gern von Ihnen gehört.«
»Beate und ich gingen uns mehr oder weniger konsequent aus dem Weg.«
»Wessen Idee war das?«
»Beates«, stöhnte Kröll entnervt. »Ehrlich, ich habe keinen Schimmer, warum Sie sich für diesen ganzen Privatkrempel interessieren. Aber wenn es unbedingt sein muss, noch einmal fürs Protokoll«, er beugte sich provozierend dicht über das Diktiergerät, das zwischen ihnen auf dem Tisch stand. »Beate war diejenige, die kein Interesse an einem wie auch immer gearteten Kontakt hatte, und sie war es auch, die damals die Scheidung wollte.«
»Weil Sie Ihre Finger nicht bei sich behalten konnten«, versetzte Verhoeven lapidar.
»Ein Mal«, widersprach ihm der Hausmeister dezidiert. »Ich habe meine Exfrau nur ein einziges Mal betrogen.«
»Ach ja?«
Kröll überging die Rückfrage mit einem spöttischen Lächeln. Nichtsdestotrotz hatte Verhoeven den Eindruck, dass er vor Wut kochte. »Jeder macht mal einen Fehler, oder etwa nicht? Immerhin sind wir Menschen und als solche weiß Gott nicht unfehlbar. Nur die heilige Beate konnte das natürlich nicht verstehen.« Er starrte in sein Wasserglas hinunter. »Glauben Sie mir, diese Frau war der nachtragendste Mensch auf dem ganzen Planeten. Und wenn einer bei ihr – verzeihen Sie den Ausdruck – Verschissen hatte, dann hatte er Verschissen bis in die Steinzeit. Und das …«, er beugte sich wieder über das Mikrophon des Diktiergeräts, »… ist auch schon alles, was Sie über unsere Ehe zu wissen brauchen.«
Abwarten, dachte Verhoeven. »Haben Sie die Hausmeisterstelle am Clemens-Brentano-Gymnasium angenommen, weil Sie hofften, Ihrer Exfrau auf diese Weise wieder näherzukommen?«
Kröll lachte laut auf. »Nein.«
»Bestimmt nicht?«
»Ich habe Ihnen doch gerade erzählt, wie Beate gewesen ist«, versetzte Kröll. »Eine zweite Chance bei ihr zu kriegen war ungefähr so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto.«
»Und aus welchem Grund haben Sie sich dann ausgerechnet auf die genannte Stelle beworben?«
»Weil sie gut bezahlt ist.«
Verhoeven sah kurz zu Winnie Heller hinüber, die ihr Telefonat beendet hatte und sich soeben mit finsterer Miene wieder auf ihrem Fensterplatz niederließ. »Haben Sie Ihre Exfrau am Tag des Amoklaufs gesehen?«, wechselte er dann noch einmal das Thema.
Kröll nickte flüchtig. »Wir sind uns auf dem Gang begegnet, als sie in die Bibliothek rauf ist.«
»Wann war das genau?«
»Kurz vor Beginn der großen Pause. Da war ich auf dem Weg in meinen Kiosk und sie im Begriff, ihre Schatzkammer für die profane Masse zu öffnen.«
»War die Bibliothek eigentlich täglich zugänglich?«, hakte Winnie Heller nach, indem sie einen zerknabberten Einwegkugelschreiber aus der Tasche ihres Parkas nestelte.
»Immer in der großen Pause«, antwortete Kröll. »Dienstags und donnerstags auch noch zusätzlich in der vierten Stunde. Für Lehrer stand sie darüber hinaus bei Bedarf zur Verfügung. In solchen Fällen konnten sie sich den Schlüssel bei Beate im Büro abholen.« Auf dem Gesicht des Hausmeisters erschien wieder jenes spöttische Lächeln, das Verhoeven bereits zuvor aufgefallen war. Das Fassadenlächeln, hinter dem sich etwas grundlegend anderes verbarg. »Allerdings war Beate furchtbar heikel mit ihren Beständen und ging meistens mit hinauf, wenn jemand etwas wollte.«
Der Mann weiß verdammt gut Bescheid, dachte Verhoeven.
Ihm gegenüber starrte Winnie Heller stirnrunzelnd auf ihre Notizen hinunter. »Sie sagten doch gerade, dass die Bibliothek nur in der großen Pause und in der anschließenden vierten Stunde geöffnet war«, bemerkte sie, an Kröll gewandt.
»Und das auch nur dienstags und donnerstags«, bestätigte dieser mit einem knappen Nicken.
»Und in der übrigen Zeit war der Raum grundsätzlich abgeschlossen?«
»Ja, immer.«
Winnie Heller nickte. »Der Amoklauf begann, wie wir wissen, ziemlich
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