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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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beschworene Chaostheorie? Alles, was irgendwie schiefgehen kann, geht auch schief? Oder steckte hinter einem dieser scheinbaren Zufälle am Ende doch mehr? Ein Plan? Eine Strategie? Ein Hinweis auf den Mann, der sich unbemerkt in Nikolas Hrubeschs Schatten bewegt hatte und den sie ans Licht zerren mussten, koste es, was es wolle?
    Verhoeven starrte aus dem Fenster in die anbrechende Nacht hinaus und dachte wieder an Beate Soltaus Türschild. Entweder war die Sekretärin von jemandem gebeten worden, ihn nach Schließung der Bibliothek noch einmal dorthin zu begleiten, und hatte in der Eile des Aufbruchs schlicht und einfach vergessen, das Schild an die Tür zu hängen. Oder aber sie war nach Ende der offiziellen Öffnungszeit noch gar nicht wieder in ihrem Büro gewesen. Aber warum?, überlegte Verhoeven, dem keine dieser beiden Möglichkeiten sonderlich plausibel vorkam. Was konnte Beate Soltau veranlasst haben, mehr als eine halbe Stunde länger als üblich in der Bibliothek zu bleiben? Noch dazu, wo ihr wahrscheinlich bewusst gewesen war, dass ihr Chef um Punkt zwölf einen Termin hatte und dass Jana Weinand zwangsläufig bei ihr klopfen würde …
    Aber halt! Stopp! Moment!
    Verhoeven richtete sich kerzengerade auf. Da war noch etwas, das sie bislang übersehen hatten! Streng genommen hätte die Bibliothek verschlossen sein müssen, als Nikolas Hrubesch auf seinem Weg in den Neubau dort vorbeigekommen ist, dachte er, und er fühlte, wie die Aufregung über diese Entdeckung sich wie eine kalte Hand um seinen Magen legte. Die Türen der Bibliothek hätten verschlossen sein müssen, und trotzdem haben wir zwei Tote in diesem Raum: Karla Oppendorf und Beate Soltau.
    Verhoeven kehrte an seinen Schreibtisch zurück und wählte Lübkes Dienstnummer. »Habt ihr Fotos gemacht, auf denen die Türen zur Schulbibliothek zu sehen sind?«, fragte er, als der Leiter des Kriminallabors sich nach kurzem Klingeln meldete.
    Lübke, der bekannt dafür war, seine Tatorte mit akribischer Akkuratesse zu dokumentieren und sich selbst noch Jahre nach Abschluss eines Falls an die abseitigsten Details zu erinnern, brummte etwas, das wohl Zustimmung ausdrücken sollte. Verhoeven hörte seine angestrengten Atemzüge und ein Piepsen, das wie das Signal eines Computerprogramms klang. Dann meldete sich der oberste Spurensicherer zurück. »Okay«, sagte er. »Was willst du wissen?«
    »Waren die Türen zur Bibliothek offen, als das SEK stürmte?«
    »Ja.«
    »Irgendein Hinweis auf ein gewaltsames Eindringen?«
    »Nein«, entgegnete Lübke. »Keiner.«
    Verdammt, dachte Verhoeven, was bedeutet das? Dass Beate Soltau tatsächlich immer noch oder schon wieder in der Bibliothek gewesen ist, als Hrubesch dort vorbeikam? Sie war furchtbar heikel mit ihren Beständen, flüsterte Werner Krölls Stimme in seinem Kopf. Und in der übrigen Zeit war der Raum grundsätzlich abgeschlossen … Mag sein, dachte Verhoeven, aber nicht an diesem denkwürdigen Morgen.
    »Und was war mit diesem Abfluss in der Mädchentoilette?«, fragte er, als er Lübkes aufmerksames Schweigen registrierte.
    »War tatsächlich verstopft.«
    »Vorsätzlich?«
    »Wir haben eine ganze Menge Papier gefunden«, sagte Lübke. »Aber ob man das jetzt als Vorsatz oder dummen Streich interpretieren soll … Wer will das so genau sagen bei einer Schultoilette?«
    Stimmt, dachte Verhoeven resigniert. Und schon wieder eine Spur, die irgendwie ins Leere lief.
    Am anderen Ende der Leitung ließ Hermann-Joseph Lübke ein Räuspern hören, das ungewohnt nervös wirkte. »Sag mal«, setzte er umständlich an. »Was macht eigentlich deine Kleine? Ist da alles okay?«
    »Mit Nina?«, fragte Verhoeven, verwundert, dass der raue Lübke ausgerechnet in einer so angespannten Situation derart privat wurde. »Na ja, weißt du, sie hält uns ziemlich auf Trab mit all ihren Fragen und Entdeckungen. Und im Moment sind auch noch die Kinder meiner Schwägerin bei uns zu Gast.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Vier an der Zahl und allesamt hochbegabt.«
    »Verstehe«, knurrte Lübke, und Verhoeven hatte das unbestimmte Gefühl, dass der oberste Spurensicherer von seiner Antwort enttäuscht war. »Na dann …«
    »Gute Nacht«, sagte Verhoeven und legte kopfschüttelnd auf.
     
     
    18
    Denken Sie noch einmal gründlich über alles nach, hatte der Kriminalkommissar zu ihr gesagt. Und wenn Ihnen noch irgendwas einfällt …
    Miranda Kerr saß auf der Couch im Wohnzimmer und genoss die Dunkelheit, die sie

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