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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Wolkenlücke abwarten, um gefahrlos bis zur Tür gelangen zu können. Dort wollte sie eben den Schlüssel ins Schloss schieben, als die Tür nachgab und sich wie von Geisterhand ins Innere der Hütte öffnete.
    Jessica Mahler erstarrte.
    Was bedeutete das? Dass sie sich getäuscht hatte? Dass Sven doch schon hier war? Dass er dort drinnen im Dunkeln saß und auf sie wartete, vielleicht gar mit einem Nachtsichtgerät vor Augen? Die bloße Vorstellung ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Du musst ja wirklich verrückt sein, schimpfte sie im Stillen, komplett verrückt, dich mit einem Kerl zu verabreden, der behauptet, Zeuge von Nikolas Hrubeschs Selbstmord gewesen zu sein. Oder gar von seiner Ermordung. Ein Kerl, der dir etwas von einem angeblichen Komplizen weismachen will, wo er in Wahrheit vielleicht selbst derjenige gewesen ist, der Nik erschossen hat.
    Ich war in der Nähe, als Nik starb, pochte Sven Strohtes Stimme hinter ihrer Stirn. Ich war dort …
    Ihr Atem raste, während sie sich verzweifelt darum bemühte, ihre flatternden Nerven im Zaum zu halten. Schließlich sollte sie doch allmählich so etwas wie Routine haben, was Extremsituationen anging. Musste es da denn nicht irgendwie möglich sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen?
    Fliehen oder nachsehen …
    Warten oder abhauen …
    Jessica Mahler schluckte und starrte in das Dunkel hinter dem Türrahmen, als von dort ein vertrauter Geruch an ihre Nase drang. Etwas, das ihr erschreckend bekannt vorkam, auch wenn sie es nicht sofort zuordnen konnte.
    Mach schon, verschwinde von hier! Scheiß auf Steven und das verdammte Band und bring dich in Sicherheit!
    Nein, dachte Jessica Mahler trotzig, indem sie sich bemühte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Geruch zu konzentrieren, den sie wahrgenommen hatte und der sich nun verflüchtigt zu haben schien. Irgendetwas an diesem Geruch war wichtig, das spürte sie.
    Irgendetwas …
    Der Fluchtreflex in ihr war noch immer überwältigend, aber sie merkte, wie das Adrenalin allmählich die Oberhand gewann und ihren Atem beruhigte. Sieh nach, dachte sie. Geh hinein und überzeug dich, dass dir von dort keine Gefahr droht. Was ist denn schon ein finsteres Zimmer gegen den Kugelhagel vom vergangenen Dienstag?!
    Sie machte ein paar vorsichtige Schritte in das Dunkel hinein und zuckte erschreckt zurück, als ihr tastender Fuß unvermittelt gegen einen Widerstand stieß. Es schien etwas Weiches zu sein. Weich und ziemlich schwer. Aber zumindest bewegte es sich nicht, Gott sei Dank!
    Jessica Mahler ging in die Knie und streckte die Hände aus wie eine Blinde. Ihre Finger streiften etwas, das sich wie Stoff anfühlte. Eine Decke vielleicht oder irgendein Kleidungsstück, das jemand zum Trocknen dort abgelegt oder verloren hatte.
    Sie runzelte die Stirn. Zum Trocknen?
    Nasse Wolle …
    Der Geruch von Metall, süß …
    Voller Entsetzen riss sie die Hände zurück und zerrte dann mit hektischen Bewegungen die Taschenlampe aus ihrer Windjacke. Doch ihre Finger waren mit einem Mal so feucht und klebrig, dass sie sich zuerst eine Weile vergeblich mit dem Schalter abmühte.
    Dann endlich flammte der erlösende Lichtstrahl auf.
    Doch die Erleichterung über das abrupte Ende der Finsternis währte nicht lange. Als der Strahl ihrer Taschenlampe ein Paar tote Augen streifte, die ihr unbewegt und silbrig glänzend aus der Dunkelheit entgegen starrten, kehrte das Grauen zurück, und nur Sekundenbruchteile später ließ Jessica Mahlers gellender Schreckensschrei die Vögel aus den umliegenden Bäumen verängstigt in den schwarzen Nachthimmel flattern.
     
     
     
     
    7
    Winnie Heller stand am Geländer ihres Freisitzes und sog genüsslich die rauchige Herbstluft in ihre Lungen. In ihrem Rücken lief Chopin, die Ballade in Fis, die sie sich auf dem Nachhauseweg besorgt hatte, und genau wie bei ihrer ersten Begegnung mit Nikolas Hrubeschs angeblichem Sündenbock dachte sie, dass es verdammt schweres Zeug war, das der jüngste Spross der Familie Strohte da spielte. Ob er am Flügel saß, jetzt, in diesem Augenblick? Sie hatte in Erfahrung gebracht, dass er in der übernächsten Woche an einem Wettbewerb teilnehmen wollte. Daher die Verärgerung, als sie ihn beim Üben gestört hatten. Aber finden Sie es denn normal, wenn ein Junge, der vor noch nicht einmal achtundvierzig Stunden nur um Haaresbreite dem Tod entronnen ist, die Ruhe hat, etwas so Wunderbares zustande zu bringen?, hörte sie Verhoeven fragen. Würden Sie jemanden,

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