Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
ab!
    Hüfttiefe Jeans, nass, kalt …
    Jessica Mahlers Augen glitten an der Vorderseite ihrer Windjacke abwärts. Keine Verletzungen, dachte sie. Nicht einmal ein Kratzer. Trotzdem blutbefleckt. Wieder blutbefleckt. Immer wieder. War das nicht beinahe zum Lachen?
    Sie hob den Kopf.
    Das Fahrzeug hatte etwa fünfzig Meter von der Hütte entfernt gestoppt, und von diesem Augenblick an wusste Jessica Mahler Bescheid. Sie wusste, dass es auf keinen Fall die Polizei war, die da kam …
    9
    »Miranda?«
    »Ja?«
    »Hier ist Hendrik Verhoeven vom LKA.«
    »Oh, klar. Hallo.«
    »Entschuldigen Sie bitte die späte Störung, aber ich habe Ihre Mail gerade erst gelesen und …«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob es überhaupt wichtig ist«, unterbrach sie ihn sofort wieder, und ihre Stimme verriet ein schlechtes Gewissen. »Es ist mir nur aufgefallen, und ich fand es irgendwie … merkwürdig.«
    »Das ist es auch.«
    Sie schien erleichtert zu sein. »Wie ich Ihnen schon in meiner Mail geschrieben habe, bin ich inzwischen ganz sicher, dass ich mich nicht irre«, sagte sie fest. »Allerdings weiß ich nicht, was es bedeutet.«
    »Das weiß ich auch noch nicht«, gab Verhoeven zu. »Aber es könnte tatsächlich wichtig sein.«
    Sie zögerte. »Sie … Sie glauben doch an einen zweiten Täter, oder?«
    Verhoeven atmete tief durch. Miranda Kerr war eine Zeugin. Sie kannten einander kaum. Und es ging definitiv um eine Sache, die äußerste Diskretion erforderte. Und doch … Irgendetwas an diesem Mädchen hatte ihn zutiefst beeindruckt. So tief, dass er wider besseres Wissen alle Vorsicht über Bord warf. »Ja«, sagte er, »wir gehen davon aus, dass es da noch jemand anderen gegeben hat.«
    »Sie meinen einen … Komplizen?« Die Art, wie sie fragte, legte nahe, dass sie bereits selbst ausgiebig über die ganze Sache nachgedacht und die richtigen Schlüsse gezogen hatte.
    »So ähnlich.«
    »Hat Nik sich selbst erschossen?«
    »Darüber kann ich Ihnen …«
    »Schon gut«, entgegnete sie hastig. »Ich verstehe. Aber soll ich Ihnen was sagen? Nik war kein Typ, der sich umbringt. Er war … Er hatte nicht …« Sie schien zu überlegen, wie sie ausdrücken konnte, was sie empfand. »Nikolas war einfach nicht der Typ«, wiederholte sie, als sie nicht weiterkam. Und nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Ich glaube, ich kann das beurteilen.«
    Verhoeven war sich nicht sicher, ob sie allein von ihrer Menschenkenntnis sprach, und der Gedanke ließ ihn frösteln. »Sie werden jetzt Ruhe haben«, hörte er sich sagen, ohne zu wissen, ob er damit nicht alles noch viel schlimmer machte. »Wenn in einer der nächsten Wochen die Schule wieder losgeht, wird nichts mehr so sein, wie es vorher war.«
    Miranda Kerr lachte bitter. »Ich wollte nie, dass … Nicht so, verstehen Sie?«
    »Ja«, sagte Verhoeven. »Aber Sie dürfen jetzt nicht anfangen, sich Vorwürfe zu machen. Dafür, dass Sie überlebt haben. Sie müssen ganz einfach froh sein. Und durchhalten. Irgendwie.«
    »Aber manchmal denke ich, es wäre …«, setzte sie an.
    »Nein«, entgegnete er. »Wäre es nicht. Glauben Sie mir.«
    Sie sagte nichts.
    »Eines Tages wird sich Ihnen das, was Sie in diesen Tagen und auch in der Zeit davor erlebt haben, anders darstellen, als es jetzt aussieht.« Verhoeven seufzte. »Vielleicht klinge ich uralt, wenn ich sage, dass die Zeit vieles verändert. Und einiges durchaus zum Positiven. Aber Ihr Leben fängt gerade erst an. Sie werden erfahren, wie es ist, auf eigenen Füßen zu stehen.« Er lauschte nach einer Reaktion von ihr, aber sie hörte einfach nur zu. »Ich will nicht behaupten, dass alles besser wird, wenn man erst mal aus der Schule raus ist, und natürlich wird es immer Leute geben, die Ihnen sagen, was Sie zu tun und wie Sie zu sein haben. Aber die Bereiche, in denen Sie für sich selbst entscheiden können, werden wachsen, und in gewisser Weise wird das Leben tatsächlich leichter, wenn man älter wird. Das heißt, wenn Sie akzeptieren können, dass Sie Steuern zahlen müssen und graue Haare kriegen und so was alles.«
    Jetzt lachte sie plötzlich. »Grau soll ja angeblich genauso schlank machen wie Schwarz …«
    Verhoeven lachte auch und fand, dass sie wirklich ein bemerkenswertes Mädchen war. »Geben Sie acht auf sich«, sagte er. »Und nochmals vielen Dank.«
    »Ich hoffe, Sie kriegen ihn.«
    »Ja«, sagte er, »das hoffe ich auch.«
    Er hatte gerade aufgelegt, als sein Handy klingelte. Seit Dienstag wagte er nicht, es

Weitere Kostenlose Bücher