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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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war sie doch sicher, dass sie richtig lag.
    Ein Stück vor sich entdeckte sie Verhoeven, der ebenfalls gerade erst gekommen war. Er beugte sich in seinen Wagen und nahm etwas aus dem Handschuhfach. Dann sah sie, wie er die Tür zuschlug und auf einen Streifenbeamten zuging, der sie bereits zu erwarten schien.
    Sie brachte den Polo hinter einer Reihe von Einsatzfahrzeugen zum Stehen und stieg aus. »Wo ist das Mädchen?«, rief sie, und Verhoeven deutete auf die geöffnete Hecktür eines Krankenwagens, wo Winnie Heller inmitten des flackernden Blaulichts eine blasse Gestalt ausmachte, die sich Schutz suchend in eine graue Rettungsdecke kuschelte.
    »Jessica Mahler?«
    Die Angesprochene hob den Kopf und nickte matt vor sich hin. Vermutlich hatte der Notarzt ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht.
    Winnie Hellers Blick fiel auf die Hände des Mädchens, die wie abgestorben in ihrem Schoß lagen. Unter den kurz geschnittenen Nägeln waren deutlich dunkle Ränder geronnenen Blutes zu erkennen. Der Rest erglänzte im Licht der hastig aufgestellten Scheinwerfer in bizarrem Orange, fast so, als habe ein übereifriger Sanitäter Jessica Mahlers Hände mit einer gehörigen Portion Jod eingesprüht.
    »Ich habe gedacht, da … liegt ein Kleidungsstück«, stammelte das Mädchen, das Winnie Hellers Blick gefolgt war. »Aber es war … Es …« Sie unterbrach sich und wandte erschöpft den Kopf ab.
    »Und was haben Sie hier draußen gemacht?«, fragte Winnie Heller, nachdem Verhoeven ihr mit einer kurzen Geste bedeutet hatte, dass sie fortfahren solle. »Warum sind Sie hier?«
    »Ich …« Jessica Mahler biss sich auf die Lippen und begann zu zittern. Ihr zierlicher Körper schlotterte unter der Decke wie Espenlaub, und Winnie Heller dachte, dass sie vermutlich nicht viel weiter kommen würden. Nicht in den nächsten Stunden.
    Sie tauschte einen Blick mit Verhoeven.
    Wir haben keinen Spielraum, um ihr die Zeit zu lassen, die sie jetzt nötig hätte, mahnten seine Augen. Abo bitte, machen Sie weiter. Versuchen Sie Ihr Glück!
    Winnie Heller nickte und ließ sich neben Jessica Mahler in der Hecktür nieder, während ihr Vorgesetzter Richtung Hütte verschwand. Ihre Augen streiften die Beine des Mädchens, die so schlaff und nutzlos herunterhingen, als gehörten sie einer Marionette, und erst jetzt fiel ihr auf, dass Jessica Mahler auch schmutzig war. Nicht nur blutverschmiert.
    Sie winkte einen der Streifenbeamten zu sich heran und bat ihn, irgendwo Kaffee oder ein anderes heißes Getränk aufzutreiben. Dann überlegte sie, ob irgendjemand das Mädchen, das neben ihr saß, durch den Wald gehetzt haben konnte. Sie hatte die Protokolle gelesen. Die Aussagen der Opfer von Lukas Wertheim und seiner Gang. Winnie Heller betrachtete Jessica Mahlers Schuhe, an denen dicke Krusten schwarzen Waldbodens klebten. Wo hört der Spaß auf?, dachte sie. Wie lange kann man es mit gutem Gewissen ein Spiel nennen, einen Spaß, ein pubertäres Kräftemessen? Und wann beginnt es, etwas anderes zu werden? Gefährlich. Zerstörerisch. Wo war die Grenze? Und wer von denen, die zu spielen glaubten, konnte sich sicher sein, dass diese Grenze nicht längst überschritten war?
    »Hier ist Ihr Kaffee.«
    Winnie Heller blickte hoch.
    »Einer der Kollegen von der Nachtschicht hatte eine Thermoskanne«, erklärte der Streifenbeamte, den sie geschickt hatte, während er ihr mit unbewegter Miene einen silbernen Schraubbecher unter die Nase hielt.
    »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Winnie Heller nahm den Becher. Dann legte sie Jessica Mahler sanft den Arm um die Schultern. »Hier, trinken Sie das.«
    Jessica Mahler starrte entsetzt auf ihre blutigen Hände hinunter, und Winnie Heller verstand, dass sie es schlicht und einfach nicht wagte, nach dem Becher zu greifen. Oder nach irgendetwas sonst.
    »Ich helfe Ihnen«, sagte sie eilig und legte dem Mädchen eine Hand in den Nacken. Mit der anderen flößte sie ihrer Zeugin vorsichtig ein paar Schlucke Kaffee ein. »Na, geht’s wieder?«
    Jessica Mahler nickte. Unter ihrem Auge zuckte ein Muskel. Es sah aus, als sei ein Insekt unter der dünnen Haut gefangen.
    »Der Ermordete war in Ihrer Jahrgangsstufe, oder?«
    Abermals Nicken. Stumpf und müde.
    »Sind Sie mit ihm zusammen hergekommen?«
    »Nein.«
    »Dann waren Sie hier verabredet?«
    »Ja, aber …« Jessica Mahler schluckte so krampfhaft, dass Winnie Heller schon fürchtete, sie müsse sich übergeben. Doch nach einem Moment des Durchatmens und einem weiteren

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