Querschläger
gegeben hätte«, ergänzte Verhoeven.
Sie nickte. »Selbst dann.«
»Ist schon komisch, was?«, bemerkte ihr Vorgesetzter mit einem ironischen Blick auf Nikolas Hrubeschs Leichnam. »Da plant dieser Junge ein Massaker und sucht sich einen Dummen, dem er die Sache in die Schuhe schieben will, indem er den armen Kerl erschießt und das Ganze wie einen Selbstmord aussehen lässt. Und urplötzlich kommt ein anderer daher und erschießt ihn. Und wiederum soll alles wie ein Selbstmord aussehen …«
»Zwei Täter, ein Gedanke«, murmelte Winnie Heller.
»Aber kein Konsens.«
»Und das bedeutet?«
Verhoeven zuckte die Achseln und drehte sich dann zu Dr. Gutzkow um, die in diesem Augenblick zurückkehrte.
»Die Kugel aus dem Kopf Ihres Attentäters stammt zweifelsfrei aus einer Glock«, kam sie ohne Umschweife zur Sache, wobei ihre Augen abermals flüchtig über Winnie Hellers verletzte Wange glitten. »Allerdings nicht aus der, die die Kollegen vom SEK bei der Leiche gefunden haben.«
Die beiden Kommissare starrten die Gerichtsmedizinerin verblüfft an.
»Fragen Se mich bloß nicht nach irgendwelchen Details«, wehrte die Pathologin ab, indem sie die zur Faust geballten Hände in einer unmissverständlich ablehnenden Geste in ihre nicht vorhandene Taille stemmte. »Aber nach allem, was ich mitgekriegt habe, stimmen die Riefen, die sich beim Abfeuern der Waffe außen in die Hülle des Projektils graben, nicht mit denen überein, die Ihre sichergestellte Pistole machen würde.«
»Eine zweite Glock«, sagte Verhoeven, und seine Stimme klang mit einem Mal, als habe sie einen Sprung.
»Und damit auch ein zweiter Schütze«, nickte Winnie Heller.
»Ein zweiter Schütze wohlgemerkt, der nach wie vor im Besitz seiner Waffe ist«, ergänzte Verhoeven mit sorgenvoller Miene.
Dr. Gutzkows graue Wissenschaftleraugen verengten sich. »Aber was treibt diesen zweiten Mann um? Was hat er sich von seiner Tat versprochen?«
Winnie Heller nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, der in ihrem lädierten Magen wie Feuer brannte. »Ruhm wie in Hrubeschs Fall können wir als Motiv wohl ausschließen«, resümierte sie. »Die breite Öffentlichkeit geht davon aus, dass Hrubesch allein gehandelt hat, und dabei wird es aller Wahrscheinlichkeit nach auch bleiben. Und wenn unser zweiter Mann als großer Retter in die Geschichte eingehen wollte, als Held des Tages, der einen durchgeknallten Amokschützen außer Gefecht setzt, bevor dieser noch mehr Blut vergießen kann, dann hätte er sich wohl kaum solche Mühe gegeben, den Mord an Hrubesch wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.«
»Bestimmt nicht«, pflichtete Dr. Gutzkow ihr bei. »Wenn wir durch die Aussage Ihres Zeugen nicht definitiv gewusst hätten, dass Hrubesch bereits vor der Tat alles für sein Davonkommen organisiert hatte, hätte niemand auch nur eine Sekunde daran gezweifelt, dass er selbst Hand an sich gelegt hat.« Das Glas ihrer Armbanduhr reflektierte das Licht, als sie die Hand an die Stirn hob. »Dann wäre derjenige, der Hrubesch erschossen hat, für alle Zeiten im Verborgenen geblieben.«
»Andererseits müssen wir wohl davon ausgehen, dass – wer immer Hrubesch ermordet hat – in dessen Pläne eingeweiht war.« Winnie Heller pustete gegen ihre Ponyfransen. »Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Sonst hätte er wohl kaum im passenden Augenblick eine Knarre bei sich gehabt.«
»Noch dazu dasselbe Modell, wie Hrubesch es benutzt hat«, merkte Verhoeven an.
Dr. Gutzkow stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Sie glauben also, die beiden waren ursprünglich so etwas wie Partners in Crime?«
Verhoeven schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll.«
»Eine wie auch immer geartete Komplizenschaft würde zumindest erklären, warum Ihr Attentäter sich nicht gewehrt hat, als der andere ihn angriff«, versuchte es Dr. Gutzkow auf die analytische Weise. »Wenn er dachte, dass er einen Freund vor sich hat …«
»Ein toller Freund«, bemerkte Verhoeven mit einem vielsagenden Seitenblick auf Nikolas Hrubeschs Kopfwunde.
»Hey«, rief Winnie Heller, als ihr etwas einfiel, das Hinnrichs gesagt hatte. »Hat Sven Strohte bei seiner Vernehmung nicht angegeben, dass er Hrubesch sprechen gehört hat?«
Verhoeven bejahte.
»Na also!« Sie warf ihrem Vorgesetzten einen triumphierenden Blick zu. »Ich meine, mit wem würde sich ein Junge, der gerade zum multiplen Mörder geworden ist, wohl in aller Seelenruhe unterhalten?«
»Mit einem Lehrer, zum Beispiel«,
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