Querschläger
aber genau die Art von Getränk, das einem in einer Nacht wie dieser die Haut retten kann, wenn Se verstehen, wat ick meine.« Sie zwinkerte den beiden Kommissaren zu, und für einen flüchtigen Moment hatten ihre Augen wieder den gewohnten, immer etwas verschmitzt wirkenden Glanz. »Sie dürfen sich gerne bedienen, wenn Se den Mumm dazu haben.«
Verhoeven blickte seine Kollegin fragend an, und Winnie Heller nickte. Also füllte er zwei Plastikbecher und suchte anschließend vergeblich nach Milch und Zucker. »Ertragen Sie ihn notfalls auch schwarz?«
Sie nickte abermals und streckte die Hand nach dem glühend heißen Becher aus, den ihr Vorgesetzter ihr hinhielt. Wenigstens behelligte er sie dieses Mal nicht mit Big Macs und Fritten! Sie kniff die Augen zusammen und nahm einen Schluck von dem Getränk, das in der Tat abscheulich schmeckte. Dann stellte sie den Becher auf dem Tisch ab und zog einen zerknitterten Zehneuroschein aus ihrer Handtasche.
»Hier«, sagte sie, indem sie ihrem Vorgesetzten die Banknote hinhielt.
»Was soll das sein?«
»Für eben.«
Er lächelte. »Das Essen geht aufs Haus.«
»Nein«, sagte sie, und ihre Stimme klang weit aufgebrachter, als ihr lieb war. »Das … Ich zahle für mich selbst, okay?«
Er musterte sie einen Moment lang, als sei er nicht ganz sicher, ob er es riskieren könne, an seiner Einladung festzuhalten. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und kehrte an den Autopsietisch zurück.
Die Unbestimmtheit seiner Reaktion machte Winnie Heller noch wütender. Was bildete sich dieser dämliche Snob eigentlich ein, hier den großen Kavalier raushängen zu lassen? Noch dazu auf diese widerlich halbherzige Weise! Sie sah seinen Rücken an und überlegte, was nun zu tun war. Ob sie ihn hier und jetzt zwingen sollte, das Geld zu nehmen, oder besser wartete, bis sie zurück im Präsidium waren, um ihm den Schein kommentarlos auf seinen Schreibtisch zu legen.
»Sagen Sie, glauben Sie eigentlich an die Existenz dieser ominösen Plastikfolie?«, rief Verhoeven vom Autopsietisch, indem er sich dicht über Nikolas Hrubeschs Kopf beugte.
Winnie Heller stopfte die zehn Euro in ihre Handtasche zurück und nahm ihren Kaffeebecher vom Tisch. »Warum sollte sich Sven Strohte so etwas ausdenken?«
»Tja, warum«, wiederholte Verhoeven nachdenklich. »Das ergäbe keinen Sinn, nicht wahr? Es sei denn, die Geschichte des Jungen wäre von A bis Z erlogen.«
Unwillkürlich musste Winnie Heller an seine Bemerkung denken, dass derjenige, der Nikolas Hrubesch erschossen habe, sich möglicherweise bereits im Untergeschoss des Neubaus aufgehalten haben könnte, als der junge Amokschütze nach seiner Bluttat dorthin zurückgekehrt war. »Denken Sie, dass Sven Strohte unser zweiter Mann ist?«, fragte sie geradeheraus.
Verhoeven schüttelte ratlos den Kopf. »Fragen Sie mich das noch einmal, wenn wir mit dem Jungen gesprochen haben.«
»Aber mal angenommen, er sagt die Wahrheit, und Nikolas Hrubesch hatte tatsächlich eine Plastikfolie um den Kopf, als er nach seinem Amoklauf zur Tür hereinkam«, gab Winnie Heller zu bedenken. »Dann müsste doch derjenige, der Hrubesch erschossen hat, diese Folie mitgenommen haben, oder nicht? Schließlich kann sie sich ja nicht in Luft aufgelöst haben, und die Kollegen haben das gesamte Untergeschoss gründlich abgesucht. Da war kein Plastik.«
»Stimmt«, räumte Verhoeven ein, ohne einen Blick von der Leiche zu wenden, und allmählich fand Winnie Heller, dass ihr Vorgesetzter übertrieb. Dass selbst ein Massenmörder wie Nikolas Hrubesch es verdiente, dass man irgendwann von ihm abließ. Sein nackter Körper wirkte geradezu mitleiderregend schutzlos, während die grellen Lampen ringsum unbarmherzig auch noch das winzigste Detail offenbarten. Jedes Haar, jede Pore, jede noch so winzige Ader. »Aber aus welchem Grund hätte Nikolas Hrubeschs Mörder die Folie mitnehmen sollen?«
»Um die Selbstmordtheorie nicht zu gefährden?«
Er nickte. »Ja, wahrscheinlich.«
»Die Kollegen wären mit Sicherheit stutzig geworden, wenn sie das Zeug entdeckt hätten«, führte Winnie Heller ihre These weiter aus. »Weil im Grunde schon die bloße Existenz einer solchen Folie nahelegt, dass sich Hrubesch bemüht hat, möglichst wenig Spuren zu hinterlassen. Und das wiederum würde die Kollegen unter Garantie auf den Gedanken gebracht haben, dass der Junge keineswegs vorhatte, sich nach getaner Arbeit eine Kugel in den Kopf zu jagen.«
»Selbst wenn es keinen Augenzeugen
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