Queste der Helden (Band 1 im Ring der Zauberei)
ihren Weg durch die Menge, wand sich durch die hinteren Gänge der Burg, die sie auswendig kannte. In ihrem Kopf drehte sich alles. Es war ein schwindelerregender Tag gewesen. Zuerst die Besprechung mit ihrem Vater am Morgen, seine schockierende Nachricht, dass er ihr die Herrschaft über sein Königreich übertrug. Sie war völlig unvorbereitet gewesen, hätte dies in einer Million Jahren niemals erwartet. Sie konnte es immer noch kaum verarbeiten. Wie könnte sie jemals ein Königreich regieren? Sie schob den Gedanken von sich weg und hoffte, dass der Tag nie kommen würde. Immerhin war ihr Vater gesund und stark, und mehr als alles andere wollte sie doch nur, das er lebte. Bei ihr war. Glücklich war.
Aber sie konnte die Besprechung nicht aus ihren Gedanken verbannen. Irgendwo in ihrem Hinterkopf lauerte der Gedanke, dass eines Tages, wann immer dieser Tag sein würde, sie die Nächste war. Sie würde ihm nachfolgen. Nicht einer ihrer Brüder. Sondern sie. Sie fand es furchteinflößend; es gab ihr aber auch ein Gefühl von Bedeutsamkeit, von Selbstbewusstsein, anders als alles, was sie bisher kannte. Er fand sie würdig, zu regieren— sie —die weiseste unter ihnen zu sein. Sie fragte sich, warum.
Auf viele Arten bereitete es ihr auch Sorgen. Sie nahm an, dass es eine riesige Menge an Missgunst und Neid aufwerfen würde, dass sie, ein Mädchen, zum Herrschen erwählt worden war. Sie konnte jetzt bereits Gareths Neid spüren. Und das machte ihr Angst. Sie wusste, dass ihr großer Bruder fürchterlich manipulativ und völlig unversöhnlich war. Er würde sich von nichts aufhalten lassen, das zu bekommen, was er wollte, und sie hasste den Gedanken daran, dass er sie im Visier hätte. Sie hatte versucht, nach der Besprechung mit ihm zu reden, aber er wollte sie nicht einmal ansehen.
Gwen rannte die Wendeltreppe hinunter; ihre Schuhe hallten auf dem Stein. Sie bog in einen weiteren Gang, passierte die hintere Kapelle, durch eine weitere Türe, an mehreren Wachen vorbei, und betrat die privaten Gemächer der Burg. Sie musste mit ihrer Mutter sprechen, und sie wusste, dass sie sich hierher zurückgezogen hatte. Ihre Mutter hatte nur noch wenig Geduld für langgezogene gesellschaftliche Anlässe—sie schlüpfte gerne in ihre privaten Gemächer davon und ruhte sich aus, so oft sie konnte.
Gwen passierte eine weitere Wache, lief einen weiteren Gang hinunter, dann stand sie endlich vor der Tür zur Ankleide ihrer Mutter. Sie wollte sie gerade öffnen, doch etwas hielt sie ab. Hinter der Tür hörte sie gedämpft erhobene Stimmen und spürte, dass etwas nicht stimmte. Es war ihre Mutter, die mit jemandem stritt. Sie hörte genauer hin und erkannte die Stimme ihres Vaters. Sie hatten einen Streit sich. Aber worüber?
Gwen wusste, sie sollte nicht lauschen—aber sie konnte nicht anders. Sie streckte die Hand aus und drückte die schwere Eichentür sanft auf, hielt sie an ihrem eisernen Knauf fest. Sie öffnete sie nur einen Spalt breit und lauschte.
„Er kommt mir nicht ins Haus“, fuhr ihre Mutter ihn gereizt an.
„Du urteilst vorschnell, ohne die ganze Geschichte zu kennen.“
„Ich kenne die Geschichte“, schnauzte sie zurück. „Zur Genüge.“
Gwen hörte Gift in der Stimme ihrer Mutter und erschrak. Selten nur hörte sie ihre Eltern streiten—nur ein paar Mal in ihrem ganzen Leben—und hatte ihre Mutter noch nie so aufgebracht erlebt. Sie konnte nicht verstehen, warum.
„Er wird in der Kaserne wohnen, mit den anderen Jungen. Ich will ihn nicht unter meinem Dach haben. Hast du verstanden?“, drängte sie.
„Es ist eine große Burg“, fauchte ihr Vater zurück. „Seine Gegenwart wird dir nicht weiter auffallen.“
„Es ist mir egal, ob sie auffällt oder nicht. Ich will ihn hier nicht haben. Er ist dein Problem. Du warst es, der beschloss, ihn hereinzubringen.“
„Du bist auch nicht ganz unschuldig“, warf ihr Vater zurück.
Sie hörte Schritte, sah, wie ihr Vater durch den Raum schritt und ihn durch die Tür auf der anderen Seite verließ, die Tür so fest hinter sich zuwerfend, dass der Raum bebte. Ihre Mutter stand alleine in der Mitte des Raumes und fing zu weinen an.
Gwen fühlte sich schrecklich. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Einerseits dachte sie, es wäre am besten, sich davonzuschleichen, aber andererseits hielt sie es nicht aus, ihre Mutter weinen zu sehen; konnte es nicht ertragen, sie so zurückzulassen. Sie konnte auch beim besten Willen nicht verstehen, worüber sie
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