Queste der Helden (Band 1 im Ring der Zauberei)
Legion.
„Keine Sorge, du kriegst es schon noch raus“, sagte O’Connor neben ihm.
Thors Handflächen waren von den vielen Versuchen ganz wund; er zog die Sehne ein letztes Mal zurück, diesmal mit aller Kraft, und endlich, zu seiner Überraschung, hakte sie ein. Die Sehne passte sauber in die Kerbe, und Thor zog mit aller Kraft daran, bis er schwitzte. Er verspürte eine enorme Zufriedenheit mit seinem Bogen, der nun so stark war, wie er sein sollte.
Die Schatten wurden schon länger, als Thor mit dem Handrücken über seine Stirn wischte und sich fragte, wie lange es noch so weitergehen würde. Er grübelte darüber, was es bedeutete, ein Krieger zu sein. In seinem Kopf hatte er es anders gesehen. Er hatte es sich als ständiges Training vorgestellt, die ganze Zeit. Aber er nahm an, das hier war auch eine Art Training.
„Ich habe mir das hier auch anders vorgestellt“, sagte O’Connor, als würde er seine Gedanken lesen.
Thor drehte sich um und war beruhigt, als er das beständige Lächeln seines Freundes erblickte.
„Ich komme aus der Nordprovinz“, sprach er weiter. „Ich habe auch mein ganzes Leben davon geträumt, zur Legion zu kommen. Ich glaube, ich habe es mir als ein ständiges Üben und Kämpfen vorgestellt. Nicht all diese niederen Aufgaben. Aber es wird besser werden. Das ist nur, weil wir die Neuen sind. Es ist eine Art Aufnahmeprüfung. Es scheint hier eine Rangordnung zu geben. Noch dazu sind wir die Jüngsten. Ich sehe nicht, dass die Neunzehnjährigen so was hier tun. Es kann nicht ewig so weiter gehen. Außerdem ist es ganz nützlich, diese Fertigkeit zu lernen.“
Ein Horn erklang. Thor blickte hinüber und sah, wie der Rest der Legion sich neben einer hohen Steinmauer in der Mitte des Feldes versammelte. Seile waren über sie gelegt, im Abstand von je zehn Fuß. Die Mauer musste dreißig Fuß hoch sein, und unter ihr waren Heuballen aufgebreitet.
„Worauf wartet ihr?“, brüllte Kolk. „BEWEGUNG!“
Die Silbernen scharten sich um sie, fingen zu schreien an, und ehe Thor es sich versah, waren alle anderen von ihren Bänken aufgesprungen und rannten über das Feld zur Mauer.
Bald waren sie alle dort versammelt und standen vor den Seilen. Eine gespannte Aufregung lag in der Luft, während alle Legionäre beieinander standen. Thor war außer sich vor Freude, endlich etwas mit den anderen gemeinsam zu tun, und er merkte, wie es ihn zu Reece hinüberzog, der mit einem weiteren seiner Freunde beisammenstand. O’Connor gesellte sich ebenfalls zu ihnen.
„In der Schlacht werdet ihr feststellen, dass die meisten Städte befestigt sind“, dröhnte Kolk, sein Blick über die Gesichter der Jungen schweifend. „Die Befestigungen zu durchbrechen, ist die Aufgabe der Soldaten. Bei einer typischen Belagerung werden Seile und Fanghaken verwendet, ähnlich derer, die wir hier über diese Mauer geworfen haben, und das Hochklettern an einer Mauer ist eines der gefährlichsten Dinge, die euch in einer Schlacht unterkommen werden. Nur in wenigen anderen Fällen werdet ihr so freistehend, so angreifbar sein. Der Feind wird geschmolzenes Blei auf euch gießen. Sie werden mit Pfeilen schießen. Mit Felsbrocken werfen. Klettert keine Mauer hoch, bevor der Augenblick perfekt ist. Und wenn ihr es dann tut, klettert um euer Leben—sonst riskiert ihr den Tod.“
Kolk holte tief Luft und brüllte dann: „LOS!“
Um ihn herum sprangen die Jungen in Aktion, jeder stürmte auf ein Seil zu. Thor lief auf ein freies Seil zu und war gerade dabei, es zu packen, als ein älterer Junge es zuerst erwischte und ihn aus dem Weg rempelte. Thor stolperte umher und packte sich das nächste Seil, das er finden konnte, ein dickes, knotiges Tau. Thors Herz klopfte, als er langsam seinen Weg die Mauer hinauf kletterte.
Der Tag war nebelig geworden und Thors Füße rutschten auf dem feuchten Stein. Trotzdem kam er gut voran und musste feststellen, dass er schneller als die meisten anderen war, beinahe in Führung, während er sich weiter hochzog. Zum ersten Mal an diesem Tag fing er an, sich gut zu fühlen, einen Sinn von Stolz zu verspüren.
Plötzlich traf ihn etwas Hartes an der Schulter. Er blickte hoch und sah Angehörige der Silbernen oben auf der Mauer, die kleine Felsbrocken herunterwarfen, Holzstücke, alle Arten von Schutt. Der Junge am Seil neben Thor hob eine Hand, um sein Gesicht abzuschirmen, verlor den Halt und fiel rücklings auf den Boden hinunter. Er fiel gut zwanzig Fuß und landete in einem
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