Quicksilver
unternehmen.
Der Gentleman zu Pferde sah, obwohl auf unelegante Weise ramponiert und verschlissen, nach Höfling aus. Einige Minuten zuvor hatte er Daniel fast niedergeritten, als dieser aus Raleighs Haus getreten war und sich leichtsinnigerweise mitten auf die Straße gestellt hatte, um nach Isaac Ausschau zu halten. Er hatte die allgemeine Ausstrahlung eines armen Barons aus irgendeinem schiefergrauen Ort in den nördlichen Breiten, der sich in London einen Namen machen wollte, aber nicht über die nötigen Mittel dazu verfügte. Er trug, durchaus praktisch, richtige Stiefel anstelle der witzigen Anspielungen auf Stiefel, wie sie junge Lebemänner bevorzugten, dazu eine dunkle Soutane – ein Reitgewand, das dem zeltartigen Kleid eines Priesters nachempfunden war – mit zahlreichen Silberknöpfen. Sein teurer Sattel lag auf einem mittelmäßigen Pferd. Das Tier wirkte dadurch ungefähr wie ein Fischweib, das sich mit einer Obristenuniform aufgeputzt hat. Falls Isaac nach einer Mätresse suchte (oder einem Maître oder was immer das sodomitische Pendant einer Mätresse war), hätte er es schlimmer, aber auch besser treffen können.
Daniel hatte einen wertvollen Gegenstand mitgenommen – nicht weil er damit rechnete, ihn zu benutzen, sondern weil er befürchtete, einer von Raleighs Dienern würde ihn kaputtmachen oder stehlen. Er befand sich in einem mit Schnallen verschlossenen Holzkasten, den er auf den Tisch gestellt hatte. Er löste die Schnallen, klappte den Deckel auf und schlug roten Samt zurück, sodass ein röhrenförmiges Gerät zum Vorschein kam, etwa einen Fuß lang, so dick, dass man die Faust hineinstecken konnte, und an einem Ende geschlossen. Es war auf einer Holzkugel von der Größe eines großen Apfels angebracht, die von einer Art Klammer eingefasst war, sodass sich das Gerät um sämtliche Achsen drehen ließ – d.h. man konnte es auf einen Tisch stellen und das offene Ende in jede beliebige Richtung drehen, und genau so benutzte Daniel es auch. Nahe dem offenen Ende war ein fingerstarkes Loch in die Wand des Rohrs gebohrt, und darunter, in der Mitte des Rohrs, war ein kleiner Spiegel angebracht, der rückwärts auf eine kleine, versilberte Glasscheibe gerichtet war, die das hintere Ende des Rohrs verschloss. Der Entwurf stammte von Isaac, gewisse Verfeinerungen und der Bau gingen auf Daniels Konto. Er hielt ein Auge an das kleine Loch und sah einen bunten, verschwommenen Fleck. Durch Regulieren einer Schraube am vorderen Ende verkürzte er das Rohr ein wenig, und der verschwommene Fleck klärte sich zu einem Stück verzierten Fensterrahmens, aus dem sich ein Spitzenvorhang bauschte – ganz am anderen Ende von Charing Cross. Verblüfft machte Daniel sich klar, dass er über den Great Court hinwegblickte, der vor Whitehall Palace lag, und bei jemandem ins Fenster spähte – wenn er sich nicht täuschte, handelte es sich um die Gemächer von Lady Castlemaine, der Lieblingsmätresse des Königs von England.
Er schob das Fernrohr in eine etwas andere Richtung und sah das Ende des Banqueting House, wo man, als er noch ein kleines Kind gewesen war, König Charles I. enthauptet hatte – das Gottesgnadentum war abgeschafft, der Commonwealth gegründet, das freie Unternehmertum eingeführt worden, Drake war ausnahmsweise einmal glücklich gewesen, und Daniel hatte auf seinen Schultern gesessen und den Kopf des Königs rollen sehen. Damals hatte man sämtliche Außenfenster von Whitehall zugemauert, um Musketenkugeln abzuhalten, und viele irrgläubige Alfanzereien wie etwa Gemälde und Skulpturen waren in Kisten verpackt und an Holländer verkauft worden. Aber mittlerweile waren die Fenster wieder Fenster, die Kunstwerke waren zurückgebracht worden, und weit und breit war kein enthaupteter König zu sehen.
Es war also kein guter Zeitpunkt, um sich in Reminiszenzen über Drake zu ergehen. Daniel schwenkte das Spiegelfernrohr, bis die zerzauste Feder am Hut des Reiters als verschwommener, auf und ab hüpfender Fleck, wie der Schwanz eines rammelnden Kaninchens, sichtbar wurde. Sobald er sie eingefangen hatte, rückten ein paar geringfügige Justierungen Isaacs Kaskade von Silberhaar in den Blick – gerade noch rechtzeitig, denn er erstieg soeben die Eingangsstufen zu einem Gebäude gegenüber dem Haymarket, an dem Verkehrsknotenpunkt, der schließlich in die Pall Mall überging. Daniel ließ das Fernrohr über die Fassade des Gebäudes wandern und rechnete damit, dass es sich um ein Kaffeehaus,
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