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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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überhaupt nicht. Das Spiegelfernrohr lag vor ihm auf dem Tisch, so auffällig wie ein abgetrennter Kopf. Sir Winston war zu verlegen, um es schon bemerkt zu haben, aber er würde es bemerken und angesichts dessen, dass er schon seit den Tagen vor der Pest Mitglied der Royal Society war, wahrscheinlich auch erraten können, worum es sich handelte – und selbst wenn Daniel ihn in dieser Beziehung anlog, würde die Lüge noch am selben Abend herauskommen, wenn Daniel das Gerät in Isaacs Namen der Royal Society vorstellte. Er verspürte das dringende Bedürfnis, es an sich zu reißen und zu verstecken, aber das würde nur noch mehr Aufmerksamkeit darauf lenken.
    Und Sir Winston war nur einer der Leute, den Daniel hier erkannte. Er schien sich unabsichtlich an einem größeren Wildwechsel niedergelassen zu haben: Menschen, die vom Whitehall Palace und von Westminster herkamen, um sich bei der New Exchange, nur einen Steinwurf weit die Strand hinauf, ihre Strümpfe, Handschuhe, Hüte, Syphilismittel et cetera zu kaufen, schauten allesamt bei diesem Kaffeehaus vorbei, um sich noch rasch darüber zu orientieren, was in und was außer Mode war.
    Daniel hatte sich, so kam es ihm vor, seit zehn Minuten weder gerührt noch etwas gesagt... er war (ein Blick auf die verräterische Tasse Kaffee) tatsächlich paralysiert! Dann half er Sir Winston aus der Verlegenheit, indem er so etwas wie ein »Na, so was!« hervorstieß und aufzustehen versuchte, was zu einer Zuckung des ganzen Körpers entgleiste – sein Tisch und er gerieten in ein Schienbein-Scharmützel, und er rief einen Tumult hervor, der Tassen von Untertassen fegte. Alles sah her.
    »Allzeit der fleißige Naturphilosoph, führt Mr. Waterhouse ein Experiment zur Berauschung mit Kaffee durch!«, verkündete Sir Winston in die Runde. Einfach ungeheures Gelächter und leichter Applaus.
    Sir Winston gehörte der gleichen Generation wie Raleigh an und hatte als Kavalier im Bürgerkrieg gekämpft – er war ein ernsthafter Mensch und deshalb auf eine Weise gekleidet, die hier als gesetzt und dezent galt: ein schwarzer, bis knapp über die Knie reichender, ausgestellter Samtrock mit Spitzentaschentüchern, die wie Dampfwölkchen aus diversen Öffnungen quollen, darunter eine gelbe Weste und unter dieser Gott weiß was – die Ärmel aller dieser Kleidungsstücke endeten an den Ellbogen in riesigen Bäuschen aus Spitze, Rüschen et cetera , um die hellbraunen Ziegenlederhandschuhe zur Geltung zu bringen. Er trug einen breitkrempigen Kavaliershut, befranst mit irgendeinem flauschigen, weißen Zeug, das man vermutlich vom Hinterteil irgendeines Vogels gewonnen hatte, der viel Zeit damit verbrachte, auf Eisschollen zu sitzen, außerdem einen sehr dünnen Schnurrbart und eine Perücke aus gelbem, aufwendig zerzaustem und in federnde Löckchen gelegtem Haar. Seine Beine umschlossen schwarze, an den Waden modisch gekräuselte Strümpfe, und die Schleifen seiner hochhackigen Schuhe hatten eine Flügelspannweite von acht Zoll. Die Schnittstelle zwischen Strumpf und Hose befand sich vermutlich irgendwo in Kniehöhe und war eine Art phantastisch komplexes Wolkenphänomen aus Bändern, Falten und Röckchen, darauf angelegt, unter dem Saum seines Rocks, seiner Weste und damit verbundener Kleidungsstücke hervorzulugen.
    Mrs. Churchill ihrerseits hatte etwas beißend Ironisches unter Verwendung eines Hutes im Sinn gehabt. Seinem Umriss nach entsprach er ungefähr einem Puritanerhut, ein an die Pilgerväter erinnerndes Stück, bestehend aus einem Kegelstumpf auf einer breiten, flachen Krempe, allerdings belebt durch bunte Stoffstreifen, nachschleifende Bänder, mit Edelsteinen besetzte Spangen, merkwürdige Federn und anderen Zierrat – eine Parodie also, eine scharfzüngige Bekräftigung der Nichtzugehörigkeit zu den Pilgervätern. Alles von ihrer Hutkrempe bis zum Saum ihres Kleides war für Daniels Auge zu komplex, um es zu begreifen – er glich einem analphabetischen Wilden, der die erste Seite einer illuminierten Bibel anstarrt -, aber ihm fiel immerhin auf, dass der kleine Junge, der ihre Schleppe trug, als typisch irischer Kobold verkleidet war (Sir Winston machte für den König viele Geschäfte in Irland).
    Eine Menge Garderobe, bloß um rasch eine Tasse Kaffee trinken zu gehen, aber die Churchills hatten wohl gewusst, dass wegen ihres tapferen Sohns heute alles um sie herumscharwenzeln würde, und waren zu dem Schluss gekommen, dass sie sich entsprechend kleiden mussten.
    Mrs.

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