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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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unspektakuläre Alltagsdinge wie Bleibarren, Wollknäuel, Häufchen von Salpeter, Zucker, Kaffeebohnen und Pfefferkörnern, Stangen und Platten aus Eisen, Kupfer und Zinn, Seidenzwirne und Baumwollstoff. Und in einem winzigen Kristallflakon, der wie ein Parfümfläschchen aussah, befand sich eine Quecksilberprobe.
    »Ich soll dir also glauben, dass du hier drin Geschäfte abschließt?«, fragte er, nachdem sie sich herausgewunden hatte und sie zusammen auf dem Damplatz standen.
    »Was hast du denn gedacht, was ich da mache?«
    »Ich habe bloß keine Waren oder Geld den Besitzer wechseln sehen.«
    »Sie nennen das Windhandel .«
    »Das Windgeschäft? Ein passender Name dafür.«
    »Hast du eine Ahnung, Jack, wie viel Quecksilber in diesen Lagerhäusern um uns herum gelagert ist?«
    »Nein.«
    »Ich aber.«
    Sie blieb an einer Stelle stehen, wo sie durch einen Eingang der Börse spähen konnten. »So wie eine ganze Werkstatt durch ein Mühlrad angetrieben werden kann, sei es durch das Tröpfeln von Wasser in einer Stromschnelle, sei es durch einen Lufthauch auf die Blätter einer Windmühle, so kann die Bewegung von Waren durch das Waaghaus dort drüben angetrieben werden durch ein Tröpfeln von Papier, das da « (und dabei zeigte sie auf die Börse) »von Hand zu Hand geht, und durch den warmen Wind, den du spürst, wenn du die Maid betrittst.«
    Eine Bewegung erfasste Jacks Blick. Einen Moment lang stellte er sich vor, es sei ein Wachtturm, der durch einen plötzlichen Angriff französischer Artillerie zerstört worden war. Doch als er hinschaute, sah er, dass er zum hundertsten Mal genarrt worden war. Es war eine sich drehende Windmühle. Dann noch mehr Bewegung draußen auf dem Ij: eine Flutwelle, die bis hierher durchkam und die Schiffe zum Schaukeln brachte. Ein Schlammbagger voller unglücklicher Hollandgänger bewegte sich einen Kanal aufwärts und kratzte den Schlamm auf – Schlamm, der dem Doktor zufolge Dinge schluckte und unbeweglich machte, die einmal flink gewesen waren, und sie zu Stein verwandelte. Kein Wunder, dass sie es mit dem Schlammbaggern so genau nahmen. Eine solche Vorstellung musste den Holländern ein Gräuel sein, ihnen, denen Bewegung über alles ging. Denen das physikalische Element Erde zu beständig und zu unbeweglich war, ein Ärgernis für Händler, ein Hindernis für den stetigen Fluss der Waren. An einem Ort, wo alle Dinge von Quecksilber erfüllt waren, mussten sie den Übergang von der Erde zum Wasser verwischen, indem sie aus der ganzen Republik, je mehr man sich dem Ufer des Ij näherte, eine allmähliche Abstufung vom einen zum anderen machten, die erst vollständig war, wenn man die Sandbänke hinter sich gelassen und bei Texel den Ozean erreicht hatte.
    »Ich muss nach Paris gehen.«
    »Warum?«
    »Zum Teil, um Türk und diese Straußenfedern zu verkaufen.«
    »Clever«, sagte sie. »Paris ist Einzelhandel, Amsterdam Großhandel – dort wirst du den doppelten Preis bekommen.«
    »Der wahre Grund ist aber, dass ich es gewohnt bin, das einzig Fließende in einem stummen und unbeweglichen Universum zu sein. Ich möchte an den Ufermauern der Seine stehen, wo hier fest und da fließendes Wasser und die Grenze zwischen beidem so scharf wie ein Messer ist.«
    »Wie du willst«, sagte Eliza, »aber ich gehöre nach Amsterdam.«
    »Das weiß ich«, sagte Jack, »ich werde immer dein Bild sehen.«

Die holländische Republik
    1684
    Jack ritt in westlicher Richtung, durch Haarlem, aus Amsterdam hinaus und stellte plötzlich fest, dass er allein war und gefährlich nah daran, unter Wasser zu geraten: Der Herbstregen hatte die Weiden überschwemmt, was die ummauerten Städte zu Inseln werden ließ. Bald gelangte er zu dem Dünenstrang, der das Land vor der Nordsee schützte. Für so viel Sand hatten nicht einmal die Holländer Verwendung. Türk war durch die Veränderung des Bodens verunsichert, schien sich aber dann zu erinnern, wie man sich darauf bewegen musste – vielleicht hatte sein türkischer Stallmeister ihn immer mal wieder in irgendeiner mohammedanischen Wüste galoppieren lassen. In einer schwerfälligen, schwimmenden Gangart trug er Jack auf den Kamm einer Düne. Unter ihnen schlugen, eine Meile entfernt, gebirgshohe grüne Wellen mit einem fürchterlichen Brüllen und Zischen auf den Sand. Jack saß da und machte große Augen, bis Türk ungeduldig wurde. Für das Pferd war es kalt und fremd, für Jack hatte es trotz allem etwas Behagliches. Er versuchte die Jahre zu

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