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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Pfosten eingeklemmt hatte, war Mr. Sluys gezwungen gewesen, sie aufzukaufen. Jetzt besaß er fünf Häuser nebeneinander und konnte sich das auch leisten, solange er die Vermögensangelegenheiten der Hälfte der Bewohner von Versailles verwaltete. Das mittlere, in dem Mr. Sluys seinen geheimen Vorrat an Blei und an Schuld lagerte, war seit 1672 um mindestens einen Fuß gesunken und Aaron de la Vega witzelte gerne in seiner Muttersprache darüber, indem er es als » emberazada «, das heißt »schwanger« bezeichnete.
    Als der Herzog von Monmouth Eliza vor diesem Haus aus der Kutsche half, fand sie, dass es passte. Denn – besonders wenn Mr. Sluys wie an diesem Abend Tausende von Kerzen auf einmal anzündete und das Licht durch all diese auffallend verzogenen Fensterrahmen leuchtete – der Versuch, das Geheimnis zu verbergen, hatte etwas von einer im siebten Monat schwangeren Frau, die sich bemühte, ihre Umstände mithilfe geschickt geschnittener Kleider zu kaschieren.
    Nach Pariser Mode gekleidete Männer und Frauen betraten das schwangere Haus in einer nahezu ununterbrochenen Schlange. Mr. Sluys, der sich verspätet mit seiner Rolle als Gastgeber anfreundete, hatte gleich hinter der Tür Stellung bezogen und wischte sich alle paar Sekunden den Schweiß von der Stirn, als fürchte er insgeheim, das zusätzliche Gewicht so vieler Gäste würde sein Haus am Ende, wie die Schläge eines schweren Holzhammers einen Pfahl, direkt in den Schlamm hineintreiben.
    Doch als Eliza den Ort betrat und, nachdem sie Sluys erlaubt hatte, ihr die Hand zu küssen, einen Rundgang durch den Raum machte, wobei sie die giftigen Blicke dicklicher bigotter Holländerinnen und übertrieben vornehm gekleideter Französinnen fröhlich ignorierte, konnte sie deutliche Hinweise darauf entdecken, dass Mr. Sluys Bergbauingenieure oder so etwas hergeholt hatte, um das Haus abzustützen. Denn die kreuz und quer an der Decke verlaufenden Balken waren, wenn auch unter Festons und Girlanden aus barocker Stuckarbeit verborgen, ungewöhnlich stark, und die Pfeiler, die die Enden dieser Balken trugen, waren zwar wie die Säulen römischer Tempel geriffelt und mit Kapitellen versehen, hatten aber den Umfang von Großmasten. Dennoch dachte sie, sie könnte irgendwo an der Decke eine schwangere Ausbeulung entdecken …
    »Platzt nicht damit heraus, dass Ihr Blei kaufen wollt – sagt ihm nur, dass Ihr seine Bürde leichter machen – oder noch besser, dass ihr sie mit Gewalt auf die Schultern der Türken verlagern wollt. Oder etwas in der Art«, sagte sie zerstreut in Monmouths Ohr, als die erste Galliarde sich dem Ende näherte. Leicht verstimmt stolzierte er davon – aber immerhin bewegte er sich auf Sluys zu. Eliza bedauerte kurz, dass sie seine Intelligenz beleidigt hatte, oder zumindest seine Bildung. Doch sie war zu sehr von plötzlichen Sorgen geplagt, um seinen Gefühlen weiter Beachtung zu schenken. Trotz all des Stucks und der Kerzen erinnerte das Haus sie an nichts so sehr wie an das Bergwerk des Doktors, tief unter dem Harz: ein Loch in der Erde, voller Metall, nur durch Klugheit und ständiges Abstützen davor geschützt, in sich zusammenzufallen.
    Das Gewicht konnte vom Blei auf Fußbodendielen übertragen werden, von dort in Deckenträger und weiter in Balken, von Balken in Pfosten, dann hinunter ins Fundament und von dort in Holzpfähle, deren Festigkeit von der »Haftung« (wie die Holländer es nannten) zwischen ihnen und dem Schlamm, in den sie hineingetrieben waren, abhing. Das war letztlich der Dreh- und Angelpunkt: Wenn die »Haftung« ausreichte, war das Gebilde darüber ein Haus, tat sie es nicht, war es eine langsame Lawine...
    »Es ist wirklich seltsam, Mademoiselle, die eisigen Winde von Den Haag waren für Euch sanfte Brisen, und in diesem warmen Raum seid Ihr die Einzige, die krampfhaft die Arme verschränkt und eine Gänsehaut hat.«
    »Eisige Gedanken, Monsieur d’Avaux.«
    »Ist ja auch kein Wunder – Euer Beau ist auf dem Sprung nach Ungarn. Ihr müsst neue Freunde gewinnen – vielleicht welche, die in wärmeren Gefilden leben?«
    Nein.Wahnsinn. Ich gehöre hierher. Sogar Jack, der mich liebt, hat das gesagt.
    Aus einer Ecke des Raums, die durch Männer und Pfeifenrauch benebelt war, drang ein schallendes Lachen von Mr. Sluys. Eliza warf einen kurzen Blick in diese Richtung und sah, wie Monmouth ihn bearbeitete, wahrscheinlich indem er genau die Sätze aufsagte, die sie für ihn gebildet hatte. Sluys war ganz aus dem

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