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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ihr wurde bald klar, dass sie direkt auf Étienne d’Arcachon zugingen. In der düstersten und verrauchtesten Ecke des Raums hörte unterdessen Mr. Sluys nicht mehr auf zu lachen.

Paris
    FRÜHJAHR 1685
Du hast (wie ich verspüre) schon so manches erfahren; denn ich sehe, der Schmutz des Sumpfs der Verzweiflung liegt auf dir; doch dieser Sumpf ist der Anfang des Leids, das jene erwartet, die auf diese Weise fortfahren; hör auf mich, ich bin älter als du!
John Bunyan, Die Pilgerreise
    Jack steckte bis zum Hals im dampfenden Mist der weißen, rosaäugigen Pferde des Duc d’Arcachon und versuchte, sich nicht zu winden, während ein Kontingent von vielleicht einem halben Dutzend Maden alles wegputzte, was um die Wunde an seinem Schenkel herum an Haut und Fleisch abgestorben war. Das juckte, tat aber über das normale, gesunde Pochen hinaus nicht weh. Jack hatte keine Ahnung, wie viele Tage er jetzt schon hier drin war, aber dadurch dass er die Glocken von Paris hörte und kleine Sonnenlichtscheiben um den Stall herumstreichen sah, vermutete er, dass es fünf Uhr nachmittags war. Er hörte, wie Stiefel näher kamen und ein Vorhängeschloss mit seinem Schlüssel verhandelte. Wäre dieses Schloss das Einzige gewesen, was ihn in diesem Stall festhielt, wäre er schon längst entkommen; Jack war jedoch am Hals an einen weißen Steinpfosten gekettet und hatte wenige Ellen Spielraum, um sich zum Beispiel in einen Misthaufen einzugraben.
    Der Riegel schoss zurück, und in einem schmalen Lichtstrahl kam John Churchill herein. Im Gegensatz zu Jack war er nicht voller Scheiße – weit davon entfernt! Er trug einen juwelenbesetzten Turban aus schimmerndem Goldstoff und Gewänder mit einer Menge unechtem Schmuck, alte abgenutzte Schuhe und eine ganze Reihe von Waffen, nämlich einen orientalischen Krummsäbel, Pistolen und verschiedene Granaten: Seine ersten Worte waren: »Sei bloß still, Jack, ich gehe zu einem Maskenball.«
    »Wo ist Türk?«
    »Ich habe ihn eingestallt«, antwortete Churchill und deutete mit den Augen auf einen angrenzenden Stall. Der Herzog hatte verschiedene Ställe, von denen dieser hier der kleinste und schäbigste war und nur zum Beschlagen der Pferde benutzt wurde.
    »Der Ball, den Ihr besuchen wollt, findet also hier statt.«
    »Im Hôtel d’Arcachon, ja.«
    »Was sollt Ihr denn sein – ein Türke? Oder ein Barbarei-Korsar?«
    »Sehe ich wie ein Türke aus?«, fragte Churchill hoffnungsfroh. »Soviel ich weiß, hast du ja persönliche Erfahrungen mit ihnen...«
    »Nein. Sagt lieber, Ihr seid ein Pirat.«
    »Ein Schlag, mit dem ich persönliche Erfahrungen habe.«
    »Tja, wenn Ihr nicht die Mätresse des Königs gefickt hättet, hätte er Euch nicht nach Afrika geschickt.«
    »Tja, ich hab’s getan, und er hat’s getan – mich dorthin geschickt, meine ich – und ich bin zurückgekommen.«
    »Und jetzt ist er tot. Und Ihr und der Duc d’Arcachon habt etwas zu besprechen.«
    »Was soll das denn heißen?«, fragte Churchill finster.
    »Ihr beide habt Kontakt zu den Piraten der Barbarei gehabt – das ist alles, was ich meinte.«
    Churchill war sprachlos – ein kleines Vergnügen und ein unbedeutender Sieg für Jack. »Du bist gut informiert«, sagte er. »Ich würde gerne wissen, ob alle Welt von der Verbindung zwischen dem Duc d’Arcachon und der Barbarei weiß oder ob du einfach jemand Besonderes bist?«
    »Bin ich es dann?«
    »Man sagt, l’Emmerdeur sei der König der Landstreicher.«
    »Warum hat der Herzog mich dann nicht in seinem schönsten Gemach untergebracht?«
    »Weil ich alles in meiner Macht Stehende getan habe, um zu verhindern, dass er erfährt, wer du bist.«
    »Ach, deswegen bin ich immer noch am Leben. Ich hab mich schon gewundert.«
    »Wenn sie es wüssten, würden sie dich auf der Place Dauphine über mehrere Tage hinweg mit eisernen Zangen zerreißen.«
    »Kein besserer Platz dafür – wunderschöne Aussicht von dort.«
    »Ist das alles, was du an Dank für mich übrig hast?«
    Schweigen. Um das Hôtel d’Arcachon herum, das sich für den Ball rüstete, gingen überall quietschend Tore auf. Jack hörte das hohle Brummen von Fässern, die in Höfen über Steinböden gerollt wurden, und (da seine Nase mittlerweile nicht mehr imstande war, den Geruch von Scheiße aufzunehmen) konnte riechen, dass Federvieh gegrillt und Buttergebäck in Öfen gebacken wurde. Es gab auch weniger angenehme Gerüche, aber Jacks Nase suchte sich die guten aus.
    »Du könntest wenigstens meine

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